Montag, 4. März 2024

Intellektuelle Mitläufer

Was Intellektuellen häufig zu eigen ist, ist eine Form von bemerkenswerter Feigheit. Sie mögen gut gebildet sein, aber trauen sich nicht, gegen den gerade herrschenden Zeitgeist zu schwimmen. Selbst wenn sie wissen, dass die gerade populären Ideen intellektuell armselig und gegen die Gesellschaft gerichtet sind. 

Sie nutzen dann ihren Intellekt genau für das falsche: Sie verwenden ihre geistigen Fähigkeiten nicht, um die Welt besser zu verstehen, sondern um die Welt so zu verdrehen, dass sie dem Zeitgeist gerecht wird. 

So gibt es zu jeder Zeit nur eine ganz kleine Zahl an wirklichen Intellektuellen und Philosophen, die Philosophie als radikale Reflexion ernst nehmen. 

Radikal heißt, an die Wurzel gehen. Wer sich scheut, an die Wurzel zu gehen, ist kein Intellektueller, sondern ein Opportunist, Konformist und Mitläufer.

Freitag, 9. Februar 2024

Concept Creep

Concept Creep ist ein wesentliches Konzept, das von Nick Haslam 2015 eingeführt wurde. Darunter versteht man, dass bestimmte Begriffe von einer klaren Bedeutung zu einer immer breiteren und diffuseren Nutzung verwendet werden, bis sie letztlich keine erkennbare Bedeutung, jenseits ideologischer Spiele, mehr haben.

Ein perfektes Beispiel für Concept Creep ist das, was derzeit an unseren Universitäten und in reaktionären Kreisen passiert: Aus »Worte können verletzen«, was vernünftig, aber für kritische Diskussionen irrelevant ist, wird »Worte sind Gewalt« und schließlich »Schweigen ist Gewalt«.

Damit ist der Begriff der Gewalt entwertet und Rede wird zur reinen Bestätigung irgendwelcher gesetzter Ideologien. Wirkliche Gewalt scheint dann für viele nicht mehr so gewalttätig zu sein, wie wir nach dem 7. Oktober gesehen haben.

Sonntag, 14. Januar 2024

Software Destroying Lives — the UK Post Office Scandal — a Solitary Case?

“Hundreds of self-employed workers at the state-owned Post Office were wrongly prosecuted or convicted between 1999 and 2015 for false accounting, theft and fraud because of glitches in a software system that incorrectly showed money missing from accounts.

Some spent time in jail, while others went bankrupt, saw their marriages destroyed, and some died before their names were cleared.”

and: “The Post Office maintained for years that data from the defective Horizon computer accounting system, developed by Japan's Fujitsu and rolled out in 1999, was reliable, while accusing sub-postmasters of theft.”, Reuters

I have been working for a long time on the question of software complexity and quality, or rather, the lack thereof, in most systems under observation. The low quality of software combined with increasing, I want to say, crippling complexity shows increasing bad effects on our society, which is entirely dependent on software. Software is the digital nervous system of our world, and we are suffering from a severe neurological disease in that sense.

Take a look at my YouTube video on software complexity for more context and examples.

Now, what interests me even more than the specifics of this case is: why would this be an isolated case? Because all others produce software so much better? 🤣


Dienstag, 2. Januar 2024

Wissen aus dem Rauschen

Wenn man natürliche Phänomene misst, etwa mit chemischen Sensoren, oder mit Kameras, die in der Dunkelheit versuchen, Objekte mit geringer Helligkeit aufzunehmen, ist man mit dem Problem des Rauschens konfrontiert. Rauschen kommt von Elektronik, natürlichen Phänomenen und anderen Störungen und ist (im Idealfall) zufällig.

Aus der Tatsache, dass Rauschen zufällig ist, das zu messende Signal aber nicht, sondern zumindest für eine bestimmte Zeit konstant ist, lässt sich eine einfache Methode anwenden, das Rauschen zu unterdrücken und das Signal zu verstärken: 





Die Abbildung ist beispielhaft generiert. Man könnte sich vorstellen, dass wir mit einem chemischen Sensor ein Spektrum messen, das eine Frequenz von 0 bis 50 zeigt, oder die Achse eine Reihe von 50 Pixeln auf einem Kamera-Sensor darstellt. Bei Frequenz (oder Pixel) 10 und 20 ist ein Signal. Allerdings ist das Rauschen so groß, dass beiden Signale darin verschwinden. Wenn wir einen Blick auf die erste Abbildung werfen, sehen wir folglich, dass nach einer einzelnen Messung nur Rauschen zu sehen ist. Nun wiederholen wir allerdings die Messung mehrfach, die zweite Abbildung zeigt sechs Messungen und die dritte zwölf. Die sechs und zwölf Messungen werden jeweils schlicht addiert. Da das Rauschen zufällig ist, das Signal aber konstant, beginnen die beiden Signale (Peaks) langsam aus dem Rauschen herauszuwachsen. Denn einmal ist das Rauschen an einem Punkt positiv, dann wieder negativ und würden wir in einem idealen System unendlich viele Aufnahmen machen und addieren, würde das Rauschen verschwinden und nur die Signale stehen bleiben.

Diese Methode, die in der Messtechnik angewandt wird, ist eine gute Metapher, wie Wissenschaft funktioniert. Die meisten Arbeiten sind Rauschen, dazwischen sind Signale. Nur wenn wir Experimente wiederholen, Studien reproduzieren, Ergebnisse hart diskutieren, Studien und Artikel, die sich als falsch herausstellen, werden korrigiert oder verworfen und so verschwindet *langsam* das Rauschen und die relevanten Ideen treten deutlicher hervor. 

Samstag, 23. Dezember 2023

Covid Origins — Back to normal?

 What we know now about Covid pandemic origins so far: 

→ Dr. Tony Fauci knew that gain of function research was done in Wuhan, China

→ he knew that this was significantly funded by US organisations under his authority

→ he also knew from the start of the pandemic on, that the virus likely escaped from this US funded research in Wuhan

→ he lied about this fact since more than three years and actively tried to cover it up

These are not conspiracy theories, these are facts we know for instance from official emails.

I am glad that at least some media outlets are reporting on that. What about European media? Politics? Do we just go back to normal, after US funded research executed on purpose in a (not safe) Chinese lab most likely is responsible for the most damaging pandemic in our lifetime?




Samstag, 11. November 2023

Modell oder Szenario?

Modelle werden heute in allen möglichen Kontexten zur Entscheidungsfindung oder -unterstützung eingesetzt, denken wir an Klimamodelle, Covidmodelle, Wirtschaftsmodelle usw.

Von Experten, die tatsächlich etwas von Modellierung verstehen, wird dabei immer wieder betont, dass es sich dabei um Szenarien und nicht um Vorhersagen handelt. Ich habe diese Themen schon mehrfach im Podcast behandelt, mehr dazu etwa in der Episode mit Andreas Windisch oder Erica Thompson.

Diese Unterscheidung ist extrem wichtig, weil Modelle auf Annahmen unterschiedlicher Art aufbauen und daher selten die Zukunft zuversichtlich vorhersagen. Nun bin ich in einem Spectator-Artikel auf ein sehr interessantes Zitat gestossen, dass diese Überlegungen in ein recht anderes Licht rücken, und wieder zeigen, dass (gesellschaftliche) Realität oft sehr stark von den Ideen und Annahmen unserer Eliten abweichen. Bei einer Konferenz der Royal Society macht Prof. Steven Riley (UKHSA) folgende sehr wesentliche Bemerkung: 

“We can’t redefine commonly used words. If we have a chart that’s got a time axis and the time axis goes past the current day and there’s a line going off to that side of the chart then we are making forecasts. Whether we like it or not.”

»Wir können allgemein genutzte Worte nicht neu definieren. Wenn wir eine Abbildung machen, die eine Zeit-Achse hat, und diese Zeit-Achse weist vom heutigen Tag in die Zukunft, und es gibt eine Linie auf dieser Abbildung die in die Zukunft weist, dann machen wir eine Vorhersage. Egal, ob wir das wollen oder nicht.« 

Sonntag, 5. November 2023

Renewables in Europe: Satire takes over News

Impossible to distinguish between satire and news any longer: The solar industry “warns” that (after important parts of Europe moved to solar and wind) the energy prices are so hight that there might not be much of a future for the industry in Europe:

“Europe's bid to expand its green tech industry faces a host of challenges, including high energy costs and supply chain issues, solar industry representatives gathered in Madrid warned on Thursday.”

"Europe isn't profitable"

But they are producing in China (~500g CO2e), Vietnam (~400g CO2e) and Thailand (500g CO2e). France by comparison has < 100g CO2e.


The production conditions of solar in China are especially relevant:

“But the majority of experts consulted by Environmental Progress agree that China’s competitive advantage did not lie in an innovative new technological process but rather in the very same factors the country has always used to outcompete the West: cheap coal-fired energy, mass government subsidies for strategic industries, and human labor operating in poor working conditions.”

Montag, 25. September 2023

Against all Odds — Open Data Formats Win?

Against all odds — Open Formats prevail! I find it very inspiring, that in the long run open formats seem to prevail, even if they are not initially taken on (or even fought against) by market leaders. Two examples I found inspiring:

  1. SVG, scalable vector graphics. I remember that I explained this format in my IBM XML courses in the early 2000s. To be honest, it was a fringe format then and I showed it as an example of possible XML-based data-formats, but honestly did not believe it would survive the next years. Now all major graphic applications support SVG and in increasingly better implementations.
  2. EPUB vs. MOBI/Kindle. Amazon, the by far largest ebook publisher never supported ePub in the beginning but pushed its own AZW/MOBI format. Recently Amazon is “winding down” support for its own format on Kindle and asks users to use ePub.

(The SVG logo definitely could use an overhaul though 😉)


Donnerstag, 24. August 2023

Understanding or Solving?

“In the academic world of the social sciences, research designed to understand a problem is often held in higher regard than research to solve the problem. […] it is based on the false assumption that understanding a problem is the key to solving it. This is not true for the toughest problems, the “wicked” ones,”, Daniel Yankelovich, Wicked Problems, Workable Solutions

“The Fallacy of Exquisite Measurement, which states that the ability to measure things down to very fine detail does not automatically confer a power to control things.”, James Howard Kunstler, Living in the long emergency



Donnerstag, 13. Juli 2023

Eiszeit oder Klimakrise? Wissenschaft, komplexe Systeme und Prognosen.

In den 1970er Jahren wurde zur gleichen Zeit vor einer neuen Eiszeit und vor dem Klimawandel gewarnt, das sollten wir nicht aus den Augen verlieren:

»What scientists are telling us now is that the treat of an ice age is not as remote as it was once thought. [...] If we are unprepared, the result could be hunger and death on a scale unprecedented.«

Besonders die 1970er Jahre waren eine Zeit steter apokalyptischer Prognosen, von denen keine eingetroffen ist. In den meisten Fällen ist sogar das Gegenteil eingetreten.


Wissenschafter prognostizieren eine Menge über die Zeit. Vor allem wenn es sich um komplexe Systeme dreht, sind die Prognosen häufiger falsch als richtig. Leider mangelt es vielen an der Bescheidenheit, das einzugestehen. Apokalyptik verkauft sich besser, so wie es aussieht wohl auch in der Wissenschaftsfinanzierung.

Bedeutet das, dass der Klimawandel kein Problem ist? Natürlich nicht. Es bedeutet aber, dass wir uns viel breiter als Gesellschaft auf alle möglichen Probleme vorbereiten sollten und keinesfalls wie das Kaninchen auf die Schlange Klimawandel blicken sollten. Das geht in die Hose. Vor allem auch dann, wenn die Maßnahmen so ungeschickt sind — wie wir sie heute etwa in der Energiepolitik erleben — und damit die Medizin mehr Schaden als die Krankheit anrichtet.

»We are always well prepared for the wrong disaster. […] But history warns us that you don’t get the disaster you prepare for.« , Niall Ferguson



Freitag, 23. Juni 2023

Existential Threats

What is an existential risk? The Cambridge Existential Risks Initiative (CERI) uses the following definition:

“An 'existential risk' (x-risk) is an event that could permanently and drastically reduce humanity’s potential, for example by causing human extinction.”, CamXRisk

A problem with discussing existential risks is that the definitions or understandings of it are quite ambiguous. Also, the Cambridge definition has a weakness. What does drastically mean specifically? 

I would try my own definition:

An existential risk to humanity is a threat that could damage large parts of the planet or human structures or kill  large parts of humanity to an extent or in a way, that a recovery to modern levels of society is not likely within a timeframe of a centuries.  

Every definition has its weaknesses, but I think we have a working understanding of what we are talking about. Of course, even if an existential threat does not go the full way, say we would face a nuclear exchange that is limited to Europe, the effects on the global society might not be existential in the narrow sense of the meaning but still very dramatic. Lastly, we have to keep further parameters in view, such as timeframe (how fast does the risk play out once it happens) and range of effects (how far-reaching is the effect, e.g. does it hit “only” humanity, or the whole global ecosystem).


Now having the definition game out of the way, what existential risks are out there, can we list and maybe even rank them? Or does a ranking of existential threats make no sense at all?  Existential means, (1) huge consequences when the worst case happens and evidently also (2) it did not happen yet, at least not to our modern society. That means, we have no proper statistical basis to draw reliable conclusions from. A ranking could be based on probabilities of entry and severity of effect. But as we do not have sufficient data from prior cases for that reason, probability of entry are very vague and usually just guesses. The same is true for the severity of the effect. As Niall Ferguson writes:

“A pandemic is made up of a new pathogen and the social networks that it attacks. We cannot understand the scale of the contagion by studying only the virus itself, because the virus will infect only as many people as social networks allow it to. At the same time, a catastrophe lays bare the societies and states that it strikes”

This is not only true for pandemics, but for other societal and potential existential risks as well. To estimate the effect of an existential risk thus means (1) we have to understand the mechanic of the risk very well and (2) how societies react to it. For that reason, the situation can be counterintuitive in numerous instances. For instance, climate changes and yet predicted (and reported) effects do not actually happen:

“annual US deaths from tornadoes have fallen by more than a factor of ten since 1875” 

or extreme weather events might increase in some places and still:

“weather-related death rates fell dramatically during the past one hundred years even as the globe warmed 1.2°C (2.2°F); they’re about 80 times less frequent today than they were a century ago. That’s largely due to better tracking of storms, better flood control, better medical care, and improved resilience as countries have developed. A recent UN report confirms the trend over the past two decades.”, Steven Koonin, Unsettled

Of course, this could change significantly should we come into a runaway situation, which some climate scientists are afraid of but others dispute. The bottom line is: we usually know much less about the mid or long-term outcomes of complex systems than we think we do.

So, any ranking of existential risks tends to be a fools' errand. Thus, in my list the ranking is not to be taken too seriously, but it is not entirely negligible. For instance,  nuclear weapons are number one for a good reason: There is a reasonable chance for a full nuclear exchange, and the consequences are absolutely catastrophic, mitigation and adaptation are minimal, and all that happens in a very short timeframe. Whereas population collapse is a significant threat for our society and there is little room for mitigation, but plays out over decades or centuries, and we can hope for adaptation measures. Climate change is in between, and actually very similar in its mechanic: there is not a lot we can actually do to mitigate, especially in a short time frame, and the effects will most likely play out over long periods of time, which again, opens room for adaptation. But the effects are wider ranging than population collapse, in that the whole biosphere is effected.

These are the reasons why climate change is not in the top five in my list. It is not one event, it is gradual and adaptation much more likely than a nuclear war. Other large humanitarian problems like hunger, poverty or malaria are not on that list either. These, and many others, are terrible threats to human flourishing in parts of the world but are not threatening humanity in a larger or long-term sense. They are rather effects of other problems. Again, this does not mean, we should not do anything against those, but it is simply not the focus of this discussion.

Systemic aspects of most existential threats forbid a naive reading, in the sense, that we should work the list from top to bottom and only continue to “the next action item” once we have completed the previous. In fact, the most fundamental insight is, that there is not one “biggest problem”, not even three or five. Living in a modern, complex society — in the Anthropocene — has positive effects:  we are farther away from nature, safer and with much higher living standards than ever before. We do not die any longer in harmony with nature, as Hans Rosling put it. But it also has negative effects which can be, unfortunately, existential. Many, if not most, of the threats on this list are connected in complex ways. This means, we most likely cannot solve any of those, especially not in isolation. But it also means that we got our priorities wrong in the last decades. 

»We are always well prepared for the wrong disaster. […] But history warns us that you don’t get the disaster you prepare for.« , Niall Ferguson

and

“For every potential calamity, there is at least one plausible Cassandra. Not all prophecies can be heeded. In recent years we may have allowed one risk — namely climate change — to draw our attention away from the others.”

Also, as mentioned above, some threats are on the list are not isolated but can be seen as a potent trigger for other threats, e.g. political extremism or collapse of infrastructure.

Thus, focusing on the mitigation of one risk alone (e.g. climate change), can dramatically increase other risks, as each medication has side effects. Would we, for instance, Just stop oil, this would be a guarantee of an existential disaster for humanity. Often, we did not only get the priorities wrong, but our activities were so inept that they, in fact, increased the risk they were supposed to mitigate and also negatively affected many other risks, especially the ones higher on the list. 

Not focusing our attention on one risk alone is clearly not easy considering the dominating mode of (legacy) media and politics. But it is like not smoking to stay healthy, while at the same time driving a motorcycle and doing wingsuit jumps from mountains. Whatever we do should be a wide-ranging approach, trying to make our society more resilient against various risks, for instance: 

  • Increasing diversity (in supply chains, food production, energy systems, ...).
  • Providing redundancy for important services (grid replacement part agains Carrington events, emergency hospital beds, etc).
  • Preparing for catastrophes with emergency management, properly funded military, etc.
  • Decoupling (for instance financial services), so that a catastrophe in one country does not immediately spill over to others.
  • Creating smaller decoupled, redundant structures that organise bottom up, not heavyweight top down ones.
  • Making societies more wealthy and educated in general helps the society to be better adapted to critical events. This clearly stands in opposition to the ideas of many “progressives”.
  • Try to estimate the positive effects of an intended measure per Euro spent instead of following ideology-driven activities.

One example, where we failed in an embarrassing way and saw our near total lack of preparation is the Covid crisis, to just mention a few aspects:

  • Even though pandemics of this type happened in the past and were predicted by experts, we had no proper studies, which emergency measures would be actually helpful (and even three years later the knowledge is scarce). 
  • We had no PPE stocked in reasonable quantities, not even for medical personel.
  • We had not even crisis processes defined. In the middle of the first lock down, I followed a discussion in German media, where experts were contemplating, where infected people should do. Should they go to the general practitioner or not, to the hospital, etc? 
  • We had no clear and unifying reporting framework established, and even years into the pandemic the data quality was bad.
  • We had no prepared plan how to come to reasonable conclusions quickly, which actions to take (virologists are not the only experts that have a say in a pandemic).

All of these preparations would not have been expensive at, especially considering the cost the lack of preparation inflicted on our society and the fact that we had people whose job it was to do just that.

I think we can create a much more resilient society and mitigate some of the risk, and adapt to others — maybe shift them from existential to problematic, so to speak. Now to come to a suggested list of existential threats with a vague prioritisation subject to what was said before:

  1. Nuclear weapons, voluntary and especially also  involuntary deployment (as we had a very close shave more than once)
  2. Natural or engineered pathogens leading to pandemics — especially considering the recent developments in synthetic biology
  3. Collapse of critical infrastructure (or multiple infrastructures in a domino effect, e.g. ICT failure or attack on ICT triggering energy problems, or financial services supply chains, etc.) that supports or modern society due to human errors or complexity spinning out of control, such as
    • energy infrastructure (e.g. way too little supply of fossil fuel in the next decades; large scale collapse of grids)
    •  global financial system
    •  ICT
    •  supply chains
  4. Solar Superstorm (also called a Carrington Event) which could destroy large parts of modern electrical infrastructure at once. It happened already in the past, for instance in the year 1859 (where the damage was limited for obvious reasons), but we also had a close shave in July of 2012. Also insurances describe that risk, for instance Lloyds:
    • “A Carrington-level, extreme geomagnetic storm is almost inevitable in the future.”
    • “The total U.S. population at risk of extended power outage from a Carrington-level storm is between 20-40 million, with durations of 16 days to 1-2 years.”
  5. Run away automation / robotic (»AI«, but on a more general level), especially in combination with one of the other risks on the list;
  6. Climate change (especially in the case that tipping points and runaway climate change occur)
  7. Nanotechnology or other ways of dramatically changing manufacturing and chemistry leading to nanomachines
  8. Population collapse is an existential threat in slow motion; “Will civilisation end with a bang or with a whimper? It is currently trending to end with a whimper in adult diapers.”, Elon Musk
  9. Ecosystem collapse, biodiversity catastrophe / “global domino effect”
  10. Unknown unknowns
  11. Green Genetical Engineering gone wrong
  12. Political/religious extremism (probably not per se, but in combination with or as a trigger of other factors mentioned above, e.g. nuclear weapons, bioweapons, etc.)
  13. Asteroid impact on Earth (which is so low on the list, because of the assumption, that we should be able to detect this threat early enough and mitigate it)
  14. Geoengineering accident

This list is thought as an encouragement to discuss this issue. Is the order correct? Probably not. Is something missing? I researched for a time to come up with that list, still, most likely I forgot something. This is also why one article focuses on unknown unknowns. This is important. As our knowledge is very limited, it appears to be much wiser to prepare our society for impacts of different types, as mentioned above. 

But is the idea of existential threat actually credible? Some pundits say that eventually humanity turned out to be more resilient than we believed at times (see also  Apocalype Always).  But I think it is short-sighted and such hand-weaving comments are problematic. It seems to be difficult to argue that e.g. nuclear weapons are not an existential threat. Just because someone played Russian Roulette six times and did not die, does not make it a save pastime. 

The confusing fact that nuclear weapons also (most likely) avoided world war three in the past indicates how complex the situation is. Mutual assured destruction, on the one hand, might have avoided a war, but should it still come to a war — even due to technical or human error, as we have seen in the past — it would be, well, mutually destructive. There is no way around it. 

And this paradox seems to be a common attribute of many modern technologies, which seem to make the edge between benefit and catastrophe ever sharper. So we are well advised to take these threats seriously. But to reiterate a point, I made in the beginning: it is a major mistake to mostly focus on one threat in this list and believe we can reduce our societal risk. 

We will not. 

Donnerstag, 22. Juni 2023

(Who is) a conspiracy theorist?


“That a pandemic caused by a bat coronavirus started in the city with the world’s largest programme of research into bat coronaviruses was always intriguing. That among the first people to get ill with allegedly Covid-like symptoms in the month the pandemic began were three scientists working in that lab was highly suspicious. Now that we know their names, we find one of them was collecting what turned out to be the closest cousins of Sars-CoV-2 at the time, and another was doing the very experiments that could have created the virus. These revelations make it almost a slam dunk for the coronavirus lab-leak hypothesis.”, Matt Ridley

We might remind ourselves that a number of experts, among them Peter Daszak and Christian Drosten  published a Lancet article (The Lancet is one of the leading medical journals) in February 2020:

“We have watched as the scientists, public health professionals, and medical professionals of China, in particular, have worked diligently and effectively to rapidly identify the pathogen behind this outbreak, […] 

We stand together to strongly condemn conspiracy theories suggesting that COVID-19 does not have a natural origin.

Quite stunning. Especially considering that this statement was done in February of 2020, when clearly there was not enough evidence and a lot of dispute among scientists (as is documented in many credible reports) to draw that conclusion. 

The former CDC director Dr. Robert R. Redfield states in a US House Select Subcommittee:

“From the earliest days of the pandemic, my view was that both theories about the origin of COVID-19 needed to be aggressively and thoroughly examined. Based on my initial analysis of the data, I came to believe—and still believe today—that it indicates COVID-19 infections more likely were the result of an accidental lab leak than the result of a natural spillover event.”

And the BBC quotes him (albeit in a vitriolic tone that did not age well):

“He claimed he was "sidelined" at the beginning of the pandemic and excluded from meetings as his views were not in line with other major scientists like Dr Fauci, the de-facto face of the US pandemic response.

"It was told to me that they wanted a single narrative, and that I obviously had a different point of view," he said. "Science has debate and they squashed any debate."”

(Highlights in the quotation by me) 

Montag, 15. Mai 2023

Wissenschaft — Institutionalisierter Confirmation Bias?

In wesentlichen Bereichen der Forschung gehen heute junge Menschen nicht weil sie besonders talentiert für das jeweilige Feld sind, sondern weil sie Aktivisten sind. Klimaforschung, Ökologie, Soziologie usw. 

Das geht Hand in Hand mit sterbenden Legacy Medien, die versuchen immer enger fokussierte Interessengruppen anzusprechen, die sich zwar teilweise gebildet geben, aber nur ganz wenig Abweichung von der eigenen Ideologie ertragen — ein performatives Spektakel, nicht viel mehr.

Dies führt zu selbstverstärkenden und moralisierenden Mechanismen in der Gesellschaft: man kämpft für die »gute« Sache, und wird in Talkshows und dergleichen eingeladen. Die flachen Medien bringen die narrative Unterfütterung der naivsten Form der Geschichte. Gefragt ist nicht die Erkenntnis, dass es keine einfache »Lösung« gibt, schon gar keine moralisch heroische, sondern vielmehr eine Reihe an Kompromissen, ...

Uriah Heep

Oftmals führt es sogar zu einer solchen Verzerrung der Tatsachen, dass die, die auf der vermeintlich moralisch richtigen Seite stehen, mit ihren Maßnahmen die Welt schlechter machen: Energiewende, Gentechnik, Covid-Response. 

Was aber die Wissenschaft im engeren Sinne betrifft,  trägt dies in keiner Weise dazu bei, ernsthafte Wissenschaft zu fördern und daraus Maßnahmen im kritischen Diskurs mit der Gesellschaft abzuleiten, sondern führt viel mehr zu institutionalisiertem confirmation bias. Dies war immer zu einem gewissen Maße gegeben, siehe Thomas Kuhn, aber es nimmt heute beängstigende Ausmaße an. 

Heute gibt es Wissenschaftsbürokraten, die sich für Vertreter der Wissenschaft halten — verstünden sie allerdings etwas von Wissenschaft, würden sie erkennen, wie absurd alleine diese Idee ist. Denker, die gegen den Strom schwimmen, wie etwa in der Vergangenheit Personen wie Freeman Dyson, werden heute frühzeitig aus dem universitären Betrieb ausgemustert. So haben fast alle dieselbe ideologische Grundstimmung und entsprechend langweilig, fehlerhaft, irrelevant und langsam geht die Forschung voran.

Wissenschaft, die versucht Konflikt zu vermeiden oder gar zu verbannen schafft sich ab. Universitäten, die sich als Safe Spaces wahrnehmen und ideologisch eindimensional werden, fallen in die Irrelevanz.

Die wesentliche Frage für die nächsten Jahre ist, wie weit der universitäre Betrieb noch reformierbar ist, vor allem auch deshalb, weil es im aktuellen System zu viele Gewinner gibt. Gewinner in dem Sinne, dass die mangelhafte Qualität ihnen selbst nicht schadet, weil sie es sich in den selbst-referentiellen Zirkeln gut eingerichtet haben. Woher soll also der Druck zu Reformen kommen? Eine mögliche Antwort wäre: von der Gesellschaft, die langsam aber sicher die Geduld mit fragwürdiger Expertise gepaart mit hohen Kosten verliert. 

Auch von Seiten der Wirtschaft könnte sich der Druck erhöhen, wenn es immer deutlicher wird, dass das Absolvieren einer Universität relativ wenig Wert stiftet — mit Ausnahme einer Erkenntnis: dass die Person in der Lage war sich über mehrere Jahre durch langweilige und weitgehend irrelevante Strukturen zu quälen. Das mag allerdings als Qualifikation für Großunternehmen von Wert sein.

Auf der positiven Seite ergeben sich hier Chancen für Europa, denn die US-Universitäten sind schneller und energischer darin, sich zu beschädigen als die europäischen — das würde schnelles Handeln notwendig machen...

Montag, 8. Mai 2023

Apocalypse Always

Der australischer Philosoph Michael Barkun schreibt in einem Artikel aus dem Jahr 1983:

»Spekulationen über das Ende der Geschichte formen eine fast ungebrochene Kette über zweieinhalb Millenia.«

Auch in meinem Gespräch mit  dem deutschen Historiker Achim Landwehr kommen wir zu der Erkenntnis, dass apokalyptische Ideen die Menschheit seit einer langen Zeit begleiten.

Historisch betrachtet, haben apokalyptische Ideen einen religiösen Hintergrund, aber im 21. Jahrhundert treten immer mehr säkulare Vertreter hervor. Technik, Bevölkerungswachstum und Globalisierung haben dem Menschen in der Tat eine nahezu totale Wirksamkeit in Raum und Zeit gegeben. Sie reicht in alle Ecken der Welt und was vielleicht noch wesentlicher ist, auch weit in die Zukunft. Nicht zu Unrecht hat das Anthropozän das Holozän als Erdzeitalter abgelöst. Der Mensch ist zu bestimmenden Kraft geworden. 

Trinity Test

Die Atomwaffen waren vermutlich der erste technologische Schock, der deutlich gemacht hat, dass zerstörendes Potential der Technik nicht mehr nur relative lokale Wirksamkeit hat. Ressourcenverbrauch und Umweltverschmutzung sind andere Aspekte solcher weitreichenden Effekte, die bereits Alexander von Humboldt klar geworden.  In die Breite der Öffentlichkeit sind diese Ideen wohl erst seit den 1960er Jahren getreten. Andrea Wulf schreibt:

»Humboldt erkannte, dass die Natur ein Netz des Lebens und eine globale Kraft ist. Er war […] der Erste, der begriffen hatte, dass alles mit allem wie ‘durch tausend Fäden’ verbunden ist.” Dieser neue Naturbegriff verändert auch unsere Sicht auf die Welt.«

Säkulare apokalyptische Prognosen sind daher seit den 1960er Jahren ein ständiger Begleiter. Überraschend ist allerdings, dass keine dieser Apokalypsen bisher eingetreten ist, ja die meisten Prognosen geradezu grandios gescheitert sind.  Denken wir etwa an die oft zitierte Wette zwischen Paul Ehrlich und Julian Simon, die Ehrlich in allen Dimensionen verloren hat. 

Es scheint, die Welt weigert sich bisher beharrlich unterzugehen.

Ist das eine Garantie dafür, dass keine der Prognosen zutrifft? Natürlich nicht. Außerdem reicht eine Apokalypse aus — statistisch ist das daher nicht ergiebig. 

Warum sprechen wir überhaupt über diese apokalyptischen Ideen? Hier gibt es einen wesentlichen Unterschied zwischen religiösen und säkularen Apokalypsen. Religiöse sind von Gott vorbestimmt und in unserer Umwelt sehen wir — so wird behauptet — bestenfalls Indikatoren die auf den kommenden Untergang hinweisen. Die säkularen hingegen haben im Kern nur darum Relevanz, weil sie von einem anderen Paradigma ausgehen, wie Barkun schreibt:

»Wo die religiösen Perspektiven Ereignisse als Zeichen betrachtet, ist die säkulare Position wesentlich geneigter sie als direkte Ursachen zu sehen: Die Zukunft wird aufgrund von Aktionen in der Vergangenheit und Gegenwart passieren, aber diese Zukunft kann verändert werden, wenn andere Entscheidungen getroffen werden.«

D.h. wir sehen uns (um Gegensatz zu früheren Generationen) als Gestalter der Zukunft und damit auch als Verursacher der prognostizierten Apokalyse(n), oder eben als Verhinderer derselben. Dies ist meist auch noch mit einem moralischen Imperativ verknüpft:

»Apokalyptisches Denken ist eine Antwort, neben anderen Dingen, auf den Wunsch in einem moralisch geordneten Universum zu leben, in dem Individuen ihre gerechte Nachspeise bekommen.«

Damit ist auch der Drang vieler Aktivisten zu verstehen, das Richtige, zu tun und zwar schnell und ohne viel Deliberation, denn man weiß schon, was für alle das Richtige ist:

Denn wenn wir schon die Verursacher einer möglichen Apokalypse sind, so muss es doch auch (leicht) möglich sein, diese zu verhindern. Im ersten Schritt folgt die Utopie, im zweiten die Moralisierung (wer diese Utopie nicht teilt, ist ein schlechter Mensch) und in logischer Folge der dritte Schritt: die Umsetzung muss mit allen Mitteln und so schnell wie möglich erfolgen.

Die Realität hält sich allerdings nicht immer an die Ideen einer besseren Welt, wie der britische Philosoph John Gray schreibt:

»Die Welt, in der wir uns zu Beginn des neuen Milleniums finden, ist übersäht mit den Trümmern utopischer Projekte. […] Die von utopischen Denkern ausgemalten Veränderungen sind nicht eingetreten, und zumeist haben diese Projekte Ergebnisse produziert, die Im Gegensatz zu den Intentionen stehen.«

Das hat die Utopisten aber nicht abgehalten, mit aller Kraft die nächste Utopie in Angriff zu nehmen, wieder John Gray:

»Die Nutzung inhumaner Methoden um unmögliche Ziele zu erreichen, ist die Essenz des revolutionären Utopismus.«

Und dies ist auch immer unter dem Blickwinkel zu sehen, dass es natürlich nie nur eine mögliche Utopie gibt. Die aktivistischen Vertreter der jeweiligen eigenen Utopie sehen ist im Hinblick auf die jeweils erwartete Apokalypse im Recht die anderen Utopien mit aller Macht (und gegen demokratische Prinzipien) zu verhindern.

Selbst wenn es eine breit geteilte Utopie gäbe, wäre die Umsetzung eben nicht so klar und einfach, wie gerne behauptet. Denn das einzige, was sich immer wieder als wahr herausstellt ist, dass zentrale Planung in komplexen modernen Gesellschaften scheitert. Gibt man aber einzelnen Gruppen die Macht zu einer solchen zentralen Planung so ist garantiert, dass aus der Utopie, die eine Apokalypse verhindern sollte, eine andere wird.

Was machen wir nun mit den vorhergesagten Apokalypsen? Es scheint im Kern drei Möglichkeiten zu geben:

Erstens, mit Achim Landwehr gesprochen:

»Wenn Apokalypse nie ausstirbt, dann heißt das aber auch: Die Welt geht nie unter. Das ist dann vielleicht die positive Konsequenz, die man daraus ableiten könnte.« 

Wenn dem so ist, dann ist die Apokalyptik nicht viel mehr als ein Gesellschaftsspiel, kribbelnde Unterhaltung, in etwa wie ein Horrorfilm. Da ein großer Teil der Medienlandschaft Edutainment ist, passt diese Art der Unterhaltung auch sehr gut in ihr Produkt.

Zweitens: die Prognosen treffen im Kern zu, dann erreichen wir mit aktivistischer und milleniaristischer Hysterie aus oben genannten Gründen dennoch nichts. Es bleibt uns wohl nichts anderes übrig, als eine evolutionäre Veränderung der Welt anzustreben. Ruhig, gelassen und konzentriert die besten nächsten Schritte zu überlegen. Umsteuern, wenn das gewünschte Ergebnis nicht eintritt. Pläne, die keinerlei Chance auf Umsetzung jenseits des Wunschdenkens haben, sind Zeitverschwendung. Pläne, die autoritäres Denken und Handeln erfordern, pflastern den Weg zur Hölle. Gerade dieser autoritäre Ansatz, befeuert vom unbeirrbaren Glaube die alleinige Wahrheit zu kennen, kennzeichnet einige der modernen Bewegungen:

Von der Webseite der Extinction Rebellion: Es darf nicht länger der Fall sein, dass Entscheidungen, die in der Bevölkerung unpopulär sind (mit anderen Worten demokratisch nicht ermächtigt) nicht umgesetzt werden. Umgesetzt werden müssen sie, weil sie von den Aktivisten der Extinction Rebellion als notwendig erachtet werden.

Man könnte es auch etwas gelassener ausdrücken: Der britische Historiker Niall Ferguson schreibt:

»[…] eine Katastrophe entblößt die Gesellschaften und Staaten, die sie trifft. Sie ist ein Moment der Wahrheit, der Enthüllung, der einige als zerbrechlich, andere als resilient und wieder andere als antifragil entlarvt.«

Die Frage ist also, wie wir uns als Gesellschaft generell aufstellen, nicht nur hinsichtlich einer bestimmten möglichen Katastrophe. Die aktuelle aktivistische Hysterie ist in diesem Sinne kontraproduktiv:

»Für jede mögliche Katastrophe gibt es mindestens eine plausible Kassandra. Nicht alle Prophezeiungen können beherzigt werden. In den letzten Jahren haben wir vielleicht zugelassen, dass ein Risiko — nämlich der Klimawandel — unsere Aufmerksamkeit von den anderen ablenkt.«

Selbst Anfang 2020, als bereits Covid über die Welt verbreitet wurde, war Klimawandel eines der wesentlichen Themen am WEF. Gebannt von einer populären Bedrohung, übersehen wir die Vielzahl der Risiken, die uns in ähnlicher Weise bedrohen können.

Es gibt aber noch eine dritte, deutlich unangenehmere Möglichkeit, wieder Barkun:

»Es bleibt jedoch die beunruhigende Möglichkeit, dass, wenn beide Strömungen des apokalyptischen Denkens [religiös, säkular] in der Deutung der Ereignisse übereinstimmen, das Potenzial für eine große, sich selbst erfüllende Prophezeiung stark zunimmt. Panik kann die Effekte erzeugen, die eigentlich übernatürlichen [oder säkularen] Akteuren zugeschrieben wurden.«

Und dabei denkt man sofort an die krassesten Vertreter der heutigen Apokalyptik wie Just Stop Oil, Extinction Rebellion oder Letzte Generation. Diese Organisationen sind eine moderne Manifestation dieser selbsterfüllenden Prophezeiung. Würden ihre Programm umgesetzt werden, wäre die Folgen verheerender als die von ihnen befürchtete Katastrophe — und dies für alle Menschen auf dem Planeten.

Klug handeln ist keine einfache Entscheidung.

P.S.: Alle Zitate sind von mir ins Deutsche übetragen worden

Sonntag, 7. Mai 2023

Kleiner, kleiner, kleiner — bis nichts mehr von Substanz verbleibt

Schon Anfang des 19. Jahrhunderts war es führenden Denkern wie Coleridge, Wordsworth und Alexander von Humboldt klar, dass eine stetige Zersplitterung der Wissenschaften zu wenig führt:

William Wordsworth, National Portrait Gallery London

»Coleridge und Wordsworth wendeten sich nicht gegen die Wissenschaft selbst, sondern nur gegen die vorherrschende »mikroskopische Sichtweise«). Wie Humboldt wehrten sie sich gegen die Aufsplitterung der Naturwissenschaften in immer stärker spezialisierte Disziplinen. Coleridge nannte diese Philosophen die »Little-ists« (»Klein-isten«), während Wordsworth in The Excursion (1814) schrieb:«

»For was it meant
That we should pore, and dwindle as we pore,
For ever dimly pore on things minute,
On solitary objects, still beheld
In disconnection dead and spiritless,
And still dividing and dividing still
Break down all grandeur.«

Aus der hervorragenden Humboldt Biographie von Andrea Wulf.

Mittwoch, 26. April 2023

General Systems Patterns: Hysteresis everywhere?

Ludwig von Bertalanffy introduced the idea of a General System Theory in 1969. He understood such a theory as a unifying theory of science, as certain systemic effects or patterns could be found in a number of sciences.

“We need a simpler, more unified approach to scientific problems, we need men who practice science—not a particular science, in a word, we need scientific generalists” 

and

“Unity of Science is granted, not by a utopian reduction of all sciences to physics and chemistry, but by the structural uniformities of the different levels of reality.”

A recurring systemic pattern that I have found to occur in a number of different sciences and domains can be explained by a hysteresis curve.

Illustration of a hysteresis curve for three different applications

This type of pattern can be found in physics, biology, organisation theory, media theory / psychology and others. For instance in biology: Martin Scheffer et al discuss Catastrophic Regime Shifts in Ecosystems (Nature 2001):

“External conditions to ecosystems such as climate, inputs of nutrients or toxic chemicals, groundwater reduction, habitat fragmentation, harvest or loss of species diversity often change gradually, even linearly, with time. The state of some ecosystems may respond in a smooth, continuous way to such trends. Others may be quite inert over certain ranges of conditions, responding more strongly when conditions approach a certain critical level.

(highlights added) and

“Because of hysteresis in their response and the invisibility of resilience itself, these systems typically lack early-warning signals of massive change.”

Constant increase in phosphorous influx into a lake can create an effect similar to curve (1) in the illustration. For a time, the system shows only little ecological effects until a tipping point is reached and the system deteriorates sharply. In some cases the original “healthy” state can be regained by removing the negative effect (Phosphorous in that case). However, as indicated with curve (2), the system has to be reversed significantly beyond the collapsing tipping point until gradual “healing” is made possible.

This hysteresis effect seems to be observable in a number of different domains. Some examples:

Physics: there are many examples in physics, such as: elastic hysteresis, adsorption hysteresis, magnetic hysteresis, electrical hysteresis etc.

Elastic hysteresis of an (idealised) rubber band (Wikimedia Commons)

Organisational capability: Organisations initially show a certain resilience (observable from the outside) when the capability of the organisation is decreasing, for instance due to poor management, loss of key staff, etc. The observable performance / output initially seem to be little impacted by declining internal quality. Competent staff take over more responsibility, more external resources are utilised, and generally adjustments are made to compensate for lost capacity and capabilities. Over time however, the organisation is hollowed out, organisational (or technical) debt accumulates and then the external performance drops significantly and rapidly.

Once this drop has occurred, it is hard and takes much time and determination to regain the original capability (2).

Trust in media, business partners, organisations, etc:  A similar pattern can be observed in all trust based relations. We experience a fairly quick drop in trust, once we feel betrayed or scammed, and it takes much more effort and time to regain trust than it took to lose it.

The last example also indicates that while the general pattern is the same, the resilience (the duration of negative effect until tipping point) seems to be quite different: in the example of trust there appears to be a larger asymmetry, i.e. people tend to lose trust rather quickly. Hardly anyone will continue to trust a business partner after being scammed. Regaining trust is takes much more effort.

Also, should the regaining phase (2) be interrupted by more negative impact (e.g. lack of determination of management, rebounds, violation of trust) the curve might spiral down even more sharply and the return path could take much more effort.


Mittwoch, 12. April 2023

The Death of the Eccentric (and Relevant) Professor (and what ChatGPT will do)

 “The eccentric university professor is a species that is going to be extinct fast. […] The bad currency is driving out the good and in effect where the people who are nimble in the art of writing for grants are displacing the idiosyncratic thinkers who are generally much less nimble at that sort of activity.”

Peter Thiel (in discussion with David Graeber) spot on in 2014. Exactly that happened. 

But now consider, what ChatGPT etc. will do? The bad currency now gets amplification by “artificial intelligence”. And I think the best description for ChatGPT might in fact would be: mediocrity amplifier (similar like its data-foundation Wikipedia).

Sounds like what happened in banking and investment in the last decades and worked perfectly well as we all know (2008, 2022, ...).



Mittwoch, 29. März 2023

Expertise oder Wissen?

Die übliche oder alltägliche Verwendung der Begriff »Expertise« beziehungsweise »Experte« irritiert mich schon seit längerem. Ständig werden uns Experten in Medien präsentiert, die die Welt erklären und Prognosen komplexer Systeme mit großem Selbstvertrauen darlegen.

Nun ist es hinreichend untersucht, dass solche Expertenprognosen in der Praxis sehr wenig wert sind, und in der Regel kaum über Zufallstreffer hinausgehen. Empfehlenswert dazu sind die Untersuchungen von Philip Tetlock.

Dieses Photo habe ich vor einigen Jahren im Iran gemacht. Dieser Mann sitzt seit Kindesalter an diesem Webstuhl und produziert Teppiche von enormer Komplexität und dies ohne Vorlage. Dies ist vielleicht ein Paradebeispiel für Expertise.

Wir haben, so scheint mir, im Kern ein begriffliches Problem. »Experte« oder »Expertise« leitet sich vom lateinischen »expertus« ab, was etwa erfahren oder erprobt bedeutet. Es gibt hier also einen klaren Bezug zu praktischer Kompetenz. Daraus folgt für mich folgende Definition:

Expertise ist die Fähigkeit, Veränderungen in der Welt konsistent vorauszusagen oder herbeizuführen.

Um das an einigen Beispielen zu illustrieren:

  • Ein Installateur zeigt Expertise, wenn er den Austausch einer Toilette weitgehend korrekt plant und umsetzt
  • Ein Automechaniker ist kompetent, wenn er einen Schaden korrekt diagnostiziert und behebt
  • Ein Chirurg ist kompetent, wenn er in der Lage ist, bestimmte Erkrankungen weitgehend korrekt zu diagnostizieren und entsprechend des aktuellen Wissenstandes zu behandeln, z.B. Knochenbruch, Trauma
  • Ein Progammierer kann hohe Expertise in einer bestimmten Domaine haben, z.B. der Programmierung von Datenbanktransaktionen. Daraus folgt keine Expertise über die Nutzung dieser Komponente in großen und komplexen Softwaresystemen.

In den genannten Bereichen, und natürlich zahlreichen anderen, ist Expertise möglich, und Menschen können in diesem Sinne kompetent oder inkompetent sein. 

Es gibt aber auch Domänen/Problemstellungen und Systeme, wo wir (erhebliches) Wissen aber keine oder wenig Expertise (nach obiger Definition) haben. Beispiele dafür sind:

  • (Makro)ökonomie: Wir wissen vieles über inflationäre Ereignisse der letzten 100 Jahre, daraus folgt keine konkrete Expertise für die aktuelle Situation
  • Klimawandel: wir wissen relativ viel über klimatische Entwicklungen der Vergangenheit, daraus leitet sich kaum Expertise über die Klimaentwicklung der nächsten Jahrhunderte ab, im Besonderen nicht in einem System, das mit menschlichem Handeln in stetiger Wechselwirkung steht
  • Wir können vieles über Viren und vergangene Pandemien wissen, das gibt uns noch keine Expertise über eine neue Pandemie

In diesen und ähnlichen Feldern gibt es aus prinzipiellen Gründen keine Expertise und daher auch keine Kompetenz im Sinne, wie bei Expertise-Feldern. Diese Unterscheidung zwischen Wissen und Expertise ist in der Praxis von höchster Relevanz. Um einige ausgewählte Aspekte herauszugreifen: 

  1. Es gibt Bereiche wo es tatsächlich Expertise gibt. Diese ist messbar und Kompetenz ist von Inkompetenz in klaren Kriterien unterscheidbar.
  2. Es gibt Bereiche, komplexe Situationen, wicked problems, in denen es keine Expertise in diesem Sinne geben kann, aber sehr wohl Wissen, das für Entscheidungsfindung relevant ist.
  3. Jemand der sein Leben an der Universität verbringt, hat im besten Falle Wissen, aber selten Expertise, selbst in den Bereichen, in denen man Expertise haben kann. Expertise kann daher nicht an Universitäten aufgebaut, sondern im besten Fall begründet werden.
  4. Die großen Herausforderungen der Zeit sind zumeist solche, wo es möglicherweise (viel) Wissen aber gerade keine nennenswerte Expertise gibt (z.B. Pandemien, Ökonomie, globale Energiesysteme, Umwelt, Klima)
  5. In Bereichen, in denen Expertise möglich ist (z.B. dem Bau von Infrastruktur), sollte man dieses praktische Wissen auf hohem Niveau erhalten und nicht durch übertriebene (und in der Regel wenig kompetente) Bürokratie behindern. Das Erhalten und Weitergeben von Expetise ist nur durch ständiges Tun und Ausbildung in der Praxis möglich.

Herausforderungen sind folglich sehr unterschiedlich zu behandeln, je nachdem ob es sich um solche handelt, wo es im engeren Sinne Expertise gibt oder eben nicht. Letztere benötigen eine vorsichtigere, bescheidenere und meist evolutionäre und explorative Herangehensweise, die von stetigen Rückkopplungsschleifen und demokratischer Mitbestimmung begleitet ist. Um wenige Beispiele zu nennen: 

  • funktioniert die letzte gesetzt Maßnahme? 
  • welche (unerwarteten) Seiteneffekte haben die Maßnahmen?
  • was wissen wir noch nicht und müssen untersuchen?
  • Stetig angepasste Interessensabwägung: ist das Verhältnis von Nutzen und Schaden / Seiteneffekte bestimmter Maßnahmen noch im Interesse der Allgemeinheit?

Übrigens gab es bereits in der Antike eine ähnliche Unterscheidung verschiedener Arten von Wissen: episteme (gr) oder scientia (lat) für Wissen um seines selbst Willen sowie techne (gr) oder ars (lat) für angewandtes Wissen; vielleicht vergleichbar damit, was ich Expertise nenne.

Dazu einige Podcast-Episoden, die diese Thesen vertiefen:

Dienstag, 28. März 2023

Follow the Science or Elitist Delusion?

“We know precisely and scientifically what the effects of pollution, waste of natural resources, the population explosion, the armaments race, etc., are going to be. We are told so every day by countless critics citing irrefutable arguments. But neither national leaders nor society as a whole seems to be able to do anything about it.”

When was this written?

Ludwig von Bertalanffy in 1926

The Austrian biologist and system thinker Ludwig von Bertalanffy wrote this in his excellent book General Systems Theory from 1969 (highlights by me). This was common thinking in the first half of the 20th century where many intellectuals believed in scientific management and politics. For instance the very influential intellectual Alfred Korzybski wrote in Manhood of Humanity (1921):

“it will give a scientific foundation to Political Economy and transform so-called “scientific shop management” into genuine “scientific world management.”

It turns out that the precise and irrefutable arguments tend to hold relatively little water in the long term in complex global systems. Most predictions of that type, which were based on irrefutable arguments, turn out to be wrong indeed.

There is no need though to repeat such mistakes 60 years later over and over again. For instance, in believing predictions of economist or eXtinction rebellion or even worse, Last Generation, who all refer to irrefutable arguments, that are not to be discussed any longer by anyone else than them, the high priests of knowledge.

If anyone claims things are alternativlos, or not to be questioned, we do good to question these ideas especially hard and remove such leaders from power as quickly as possible. They are the most dangerous ones.

To be fair to Bertalanffy though, he also writes in this book the following, very powerful quotation:

“We have a fair idea what a scientifically controlled world would look like. In the best case, it would be like Aldous Huxley’s Brave New World, in the worst, like Orwell’s 1984.”


Freitag, 17. März 2023

The chance that there will be any permanent ice left in the Arctic after 2022 is essentially zero

 "The chance that there will be any permanent ice left in the Arctic after 2022 is essentially zero"

How did this prediction by Harvard climate scientist James Anderson in 2018 published in my favourite media outlet Forbes turn out?

Arctic Ice Cover March 2023 (NASA)

This NASA graph with data up to 2023 shows the current ice cover pretty much in the middle of the years 2012–2023.

What do we learn from that?

  1. Check for the track record and do not read media that is regularly wrong
  2. Immediately ignore what one single scientist says; to speak with Nassim Taleb: “Science is great, scientists are dangerous”
  3. Do not support catastrophism. It is most likely not true and harms reasonable steps to approach the fact, that we indeed have a climate change problem.
Trust in science and media is lost (because we constantly amplify the extremists and naive one-trick-pony activists) and we indeed inflicted large harm to our society, albeit not necessarily the one these people are warning us from — think of the Energy disaster in Germany, Europe and in many other developing countries as a consequence of the large scale mistakes made by countries like Germany.


Zum Abschluss...

Es freut mich, dass Sie sich die Zeit genommen haben, mein Blog zu lesen. Natürlich sind viele Dinge, die ich hier diskutiere aus einem subjektiven Blickwinkel geschrieben. Vielleicht teilen Sie einige Ansichten auch nicht: Es würde mich jedenfalls freuen, Kommentare zu lesen...

Noch ein Zitat zum Schluß:

"Ich verhielt mich so, als wartete ein Heer von Zwergen nur darauf, meine Einsicht in das Tagesproblem, zur Urteilsfindung von Gesellschaft und Politik zu übersetzen. Und nun stellt sich heraus: Dieses Heer gibt es nicht.

Ganz im Gegenteil erweist sich das kulturelle Getriebe als selbstimmunisierend gegen Kritik und Widerlegung. Es ist dem Lernen feind und wehrt sich in kollektiver Geschlossenheit gegen Umdeutung und Innovation.", Rupert Riedl, Evolution und Erkenntnis, Piper (1985)

:-)