Dienstag, 13. Dezember 2022

Grüner Wasserstoff — die nächste energiepolitische Fehlentscheidung Deutschlands?

Was ist das Potential von Wasserstoff als Energiespeicher beziehungsweise Energieträger für die »grüne Zukunft« und Energiewende? Michael Liebreich hat eine sehr interessante Zusammenfassung geschrieben, die sehr differenziert auf verschiedenste Anwendungsbereiche eingeht und sich mit zahlreichen anderen kritischen Analysen deckt. Ganz kurz zusammengefasst würde ich folgende Aspekte hervorheben:

Wasserstoff wurde im 18. Jahrhundert von Henry Cavendish entdeckt und dargestellt.

Erhebliche staatliche Investitionen in die Wasserstoff-Wirtschaft sind aktuell im Gange, besonders Deutschland und Japan stechen hier hervor. Der japanische Premierminister wird zitiert:

“Japan aims to commercialize an international hydrogen supply chain by producing hydrogen in bulk at low cost in countries blessed with bountiful renewable energy resources coupled with marine transport infrastructure.”

Der deutsche Kanzler Olaf Scholz betont die Kollaboration mit Kanada und der deutsche Wirtschaftsminister Habeck mit Namibia und Südafrika:

 “In August he and Canadian Prime Minister Justin Trudeau flew to Newfoundland and Labrador to sign an agreement to “create a transatlantic supply chain for hydrogen well before 2030, with first deliveries aiming for 2025”. As I write this, German Economy Minister Robert Habeck is on a five-day trip to Namibia and South Africa to secure hydrogen supplies.”

Diese und ähnliche Projekte versprechen sowohl ökonomisch wie ökologisch kontraproduktiv zu sein, wie sich nach der weiteren Analyse herausstellt:

  • Transport von Wasserstoff macht ökonomisch nur über Pipelines Sinn, denn auf das Volumen bezogen ist die Energiedichte viel zu gering. Mit einem Faktor von 2,5x dem Volumen im Vergleich zu Flüssiggas ist anderer Langstrecken-Transport weder ökonomisch noch ökologisch sinnvoll. Dazu kommen erhebliche technische Probleme aufgrund der benötigten niedrigen Temperatur.
  • Andere Formen des Transports wie als Gas unter Druck, in Metallschwämmen oder LOHCs sind entweder noch unwirtschaftlicher oder schlicht technisch (trotz jahrzehntelanger Forschung) nicht machbar.
  • Der Transport über Derivate wie Ethanol oder Methan kann für bestimmte Industrieanwendungen sinnvoll sein, für Energieproduktion aufgrund der enormen Verluste nicht. 
  • So scheint auch die Herstellung von Ammoniak für die weitere Energieerzeugung aus »erneuerbaren« Quellen wie Wind (wie offenbar zwischen Deutschland und Kanada angedacht) bestenfalls ein grünes Feigenblatt zu sein. Es treten dabei energetische Verlust in der Größenordnung von 80% auf; vermutlich mehr, weil der entstehende Ammoniak nicht leicht direkt verbrannt werden kann und weiteres Cracking erfordert.
  • Selbst für die Produktion von Dünger dürften diese Verluste nur wenig Sinn machen. Dazu kommt, dass industrielle Verfahren wie das Haber-Bosch-Verfahren zur Produktion von Ammoniak kontinuierlich gefahren werden müssen, was die Nutzung von unzuverlässiger Stromproduktion von Wind und Sonne ohne Backup kaum sinnvoll erscheinen lässt. Diese Verluste müssen ebenfalls berücksichtigt werden.
  • Die Anwendung in Flugzeugen ist ebenfalls aufgrund der niedrigen Energiedichte pro Volumen bestenfalls für Kurzstrecken oder Privatjets denkbar. Auch die Logistik der Treibstoffversorgung für Linienflüge ist de facto prohibitiv.

Kurz gesagt: das Versprechen, dass Wasserstoff als »grüner« Energiespeicher eine wesentliche Rolle in der Zukunft einnehmen kann ist mit großer Vorsicht zu genießen. Transport scheint bestenfalls über Pipelines sinnvoll zu sein. Das schließt Transport aus Amerika oder Afrika auf absehbare Zeit aus. 

Die aktuellen deutschen Projekte in dieser Hinsicht sind daher vermutlich eine ähnliche Fehlentscheidung wie die Energiewende der letzten Jahrzehnte.

Ein weiteres, wie mir scheint, wesentliches Problem, wird in diesem Artikel allerdings gar nicht erwähnt: Wasserstoff ist selbst als Klimagas zu bewerten, wie dieser Nature-Bericht darlegt:

“the release of one ton of dihydrogen into the atmosphere corresponds to the emission of nearly 13 tons of CO2 equivalent.”

Wenn also Wasserstoff-Gas bei Produktion, Transport oder Nutzung in die Atmosphäre entweicht, was besonders bei Transport mit Schiffen zu erwarten ist, so hat eine Tonne Wasserstoff etwa denselben Effekt wie 13 Tonnen Kohlendioxid. Die Frage ist also: wenn wir ein Wasserstoff-Energiesystem in großem Maßstab planen — das schon aus den oben genannten Gründen wenig effizient ist — wieviel verlieren wir zusätzlich durch Leckage von Wasserstoff an »grünem« Potential?

Weiters stimme ich der Ansicht, dass E-Autos ökonomisch sinnvoll sind, keinesfalls zu. In dieser Überlegung stecken weder der enorme Ressourcenbedarf für Batterien (und die daraus folgenden Preiserhönhungen), noch die hohen Stromkosten in Europe, als Folge der Fehler in der Energiepolitik der letzten Jahrzehnte. Der Aspekt der Umweltzerstörung aus diesem Ressourcenabbau der für Batterien und »erneuerbare Energie« notwendig wird, ist auch nicht in die Analyse eingepreist.

Eine andere sehr interessante — und im Effekt vernichtende — Analyse des deutsch-kanadischen Wasserstoff-Projektes findet sich im Decouple Podcast.

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Zum Abschluss...

Es freut mich, dass Sie sich die Zeit genommen haben, mein Blog zu lesen. Natürlich sind viele Dinge, die ich hier diskutiere aus einem subjektiven Blickwinkel geschrieben. Vielleicht teilen Sie einige Ansichten auch nicht: Es würde mich jedenfalls freuen, Kommentare zu lesen...

Noch ein Zitat zum Schluß:

"Ich verhielt mich so, als wartete ein Heer von Zwergen nur darauf, meine Einsicht in das Tagesproblem, zur Urteilsfindung von Gesellschaft und Politik zu übersetzen. Und nun stellt sich heraus: Dieses Heer gibt es nicht.

Ganz im Gegenteil erweist sich das kulturelle Getriebe als selbstimmunisierend gegen Kritik und Widerlegung. Es ist dem Lernen feind und wehrt sich in kollektiver Geschlossenheit gegen Umdeutung und Innovation.", Rupert Riedl, Evolution und Erkenntnis, Piper (1985)

:-)