Dienstag, 4. August 2020

Warum wir WhatsApp nicht nutzen sollten

In Gesprächen im Freundes und kollegialen Kreis ist das Thema immer wieder auf soziale Netzwerke im allgemeinen und WhatsApp im besonderen gekommen. Obwohl des öfteren in kritischen Medien thematisiert ist vielen Nutzern nicht klar, warum es keine gute Idee ist WhatsApp zu verwenden. Ich möchte wesentliche Argumente in aller Kürze zusammenfassen:

(1) Inhalt vs. Metadaten

Ein häufiges Missverständnis ist, dass WhatsApp ja über eine (angeblich zuverlässige, s.u.) End-to-End Nachrichtenverschlüsselung verfügt und daher im Einsatz unproblematisch wäre. 

Nun ist längst bekannt, dass Geheimdienste, aber natürlich auch die großen Monopolisten des Überwachungskapitalismus (z.B. Facebook) in der Regel weniger Interesse an den konkreten Inhalten von Gesprächen haben als an den Metadaten. Was sind Metadaten? Wer kommuniziert zu welchem Zeitpunkt mit wem, wie lange?

Dies ist auch in allen Details in dem ausgezeichneten Buch von Edward Snowden – Permanent Record nachzulesen. Gerade diese Metadaten stehen aber trotz Verschlüsselung WhatsApp (und damit auch den US-Geheimdiensten) vollständig zur Verfügung.

(2) Eigentümer und Geschäftsmodell

In der heutigen Landschaft von IT-Dienstleistungen ist es von größter Bedeuten wer Eigentümer eines Dienstes ist und welches Geschäftsmodell dahinter steht.

Im Falle von WhatsApp ist dies Facebook. Facebook ist ein US-Unternehmen. Die USA können seit den »anti Terror« Gesetzgebungen nach 9/11 nicht mehr als Rechtsstaat im westlichen Sinne gelten. US-Geheimdienste können ohne die Möglichkeit eines Einspruches der Betroffenen von Unternehmen die Herausgabe beliebiger Daten fordern. Dies darf von den betroffenen Unternehmen und Managern nicht einmal bekannt gegeben werden.

Diese Gesetzgebung trifft natürlich auch Facebook und WhatsApp. Dazu kommt das äußerst fragwürdige Geschäftsmodell von Facebook, das im wesentlichen darauf beruht Nutzerdaten an Werbenetzwerke und andere Interessenten zu verkaufen und die Nutzer im Sinne der Kunden (also der Werbe-Partner) zu manipulieren. Details zu diesen Praktiken lassen sich bei Shoshanna Zuboff, Überwachungskapitalismus, nachlesen. Empfehlenswert dazu ist auch mein Gespräch mit Peter Purgathofer, Episode 24 von Zukunft Denken.

Facebook hatte bei der Übernahme von WhatsApp übrigens versprochen die WhatsApp-Nuterzdaten (auch in Zukunft) nicht mit den Facebook-Nutzerdaten zu integrieren und dieses Versprechen bereits gebrochen.

Kurz gesagt: Geschäftsmodell, Ort und Vertrauenswürdigkeit des Anbieters verbieten im Grunde eine Nutzung von WhatsApp.

(3) Ende-zu-Ende Verschlüsselung ist sicher?

Die Ende-zu-Ende Nachrichtenverschlüsselung galt nach Expertenmeinung als zuverlässig. Allerdings lässt sich Facebook kaum in die Karten schauen. Vertrauensvorschuss ist bei der mangelnden Seriosität des Unternehmens aber kaum gerechtfertigt.

Grundsätzlich lässt sich eine Implementierung jederzeit ändern und eine Hintertür – etwa für Geheimdienste – jederzeit einbauen. Die Tatsache, dass es von Seiten der offiziellen Stellen in den USA so wenig Kritik an WhatsApp gibt, legt für mich nahe, dass dies längst geschehen ist. Folgt man Edward Snowdens Beschreibung über  Umfang und Tiefe der US-Überwachung aller relevanter IT- und Kommunikaitons-Dienstleistungen, so kann man meines Erachtens nach das Vorsorgeprinzip walten lassen und davon ausgehen, dass WhatsApp ebenso vollständig überwacht ist.

Zusammengefasst: Die Ende-zu-Ende Verschlüsselung mag in einem technischen Sinne in der Vergangenheit glaubwürdig gewesen sein, dieses Argument ist aber für die aktuelle Nutzung nicht mehr relevant.

(4) Monopol-Situation und Lock-In

Nicht zuletzt scheint es aus demokratiepolitischer Sicht alles andere als wünschenswert zu sein die Kommunikation der Welt über das System eines Monopolisten abzuwickeln. Die Entwickler der E-Mail Protokolle hatten gute Gründe es so zu gestalten, dass es nicht nur bei einem Anbieter zu nutzen ist. Ein Messaging-System lebt vom Netzwerk-Effekt. Es wird umso wertvoller, je mehr Nutzer es verwenden. Dies führt zum Lock-In-Effekt. Ist ein System hinreichend weit verbreitet, wird es sehr schwer es abzulösen. 

Mittelfristig fügen wir aus meiner Sicht der Gesellschaft großen Schaden zu, wenn Kern-Kommunikationsinfrastruktur bei einzelnen (noch dazu fragwürdigen) Anbietern zentralisiert werden. Diese Anbieter haben damit jederzeit die Möglichkeit Umfang und Art des Dienstes zu verändern. Dies betrifft nicht nur das Abhören der Nachrichten oder Auswertung und Verkauf von Metadaten, sondern auch die Frage wie groß Gruppen sein dürfen, welche Endgeräte unterstützt werden, wie mit Daten umgegangen wird (z.B. Kompression oder Veränderung von Bild-Daten), ob bestimmte Länder oder Personengruppen inkludiert oder exkludiert werden, ob Werbung in die Kommunikation der Nutzer eingeblendet wird, oder ob gar die Kommunikation per se verändert wird (wie dies etwa auf Facebook geschieht) und viele andere funktionale Fragen.

Was ist die Alternative

Es gibt nur wenige Messenger-Dienste, die als wenig problematisch gelten. Signal wird häufig als solches System genannt. Allerdings möchte ich auch Signal nur mit Einschränkungen empfehlen. Zwar ist es im Gegensatz zu WhatsApp ein offenes System, aber dies löst das Problem der Zentralisierung nicht.

Weiters ist die Nutzung von SMS natürlich nach wie vor eine Option, und sicher eine bessere als WhatsApp.

Nicht zuletzt ist E-Mal nach wie vor eine der besten und offensten Kommunikationsformen die wir haben. Leider mangelt es hier in der Regel and Ende zu Ende Verschlüsselung.

Wie so oft gab es in der Vergangenheit Systeme, die konzeptionell den heutigen weit überlegen und offen spezifiziert waren, man könnte etwa Jabber nennen. Leider haben diese Systeme nie die primäre Nutzerfreundlichkeit von WhatsApp oder Signal erreicht und können daher heute aufgrund der geringen Verbreitung und wenig nutzerfreundlichen Schnittstellen nicht mehr als Alternative empfohlen werden.

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Zum Abschluss...

Es freut mich, dass Sie sich die Zeit genommen haben, mein Blog zu lesen. Natürlich sind viele Dinge, die ich hier diskutiere aus einem subjektiven Blickwinkel geschrieben. Vielleicht teilen Sie einige Ansichten auch nicht: Es würde mich jedenfalls freuen, Kommentare zu lesen...

Noch ein Zitat zum Schluß:

"Ich verhielt mich so, als wartete ein Heer von Zwergen nur darauf, meine Einsicht in das Tagesproblem, zur Urteilsfindung von Gesellschaft und Politik zu übersetzen. Und nun stellt sich heraus: Dieses Heer gibt es nicht.

Ganz im Gegenteil erweist sich das kulturelle Getriebe als selbstimmunisierend gegen Kritik und Widerlegung. Es ist dem Lernen feind und wehrt sich in kollektiver Geschlossenheit gegen Umdeutung und Innovation.", Rupert Riedl, Evolution und Erkenntnis, Piper (1985)

:-)