Die von Bernal und anderen entwickelte Röntgenstrukturanalyse ist eine bis heute wichtige Methode um die Struktur Moleküle aufzuklären. Die zu untersuchenden Moleküle müssen in Kristallform vorliegen und werden Röntgenstrahlung ausgesetzt. Die Röntgenstrahlen werden von den Atomen (genauer gesagt von den Elektronenwolken) an der dreidimensionalen Kristallstruktur gebeugt. Dabei interferieren die gebeugten Strahlen der verschienenen Gitterpunkte miteinander. Das Ergebnis ist ein komplexes Beugungsmuster, das auf fotografischen Platten (oder heute auf elektronischen Detektoren) festgehalten werden kann. Die Winkel und Intensität der Ablenkung lassen Rückschlüsse auf die Struktur des Moleküls zu.
Prinzipielle Anordnung eines Experiments |
Allerdings tritt Beugung nur dann auf, wenn die Wellenlänge der Strahlung in etwa in der Größenordnung des Kristallgitters liegt. Dies trifft auf Röntenstrahlung, nicht aber auf sichtbares Licht zu. Denn sichtbares Licht hat eine Wellenlänge die zwischen rund 400nm und 800nm liegt. Die Abstände in einem Kristallgitter liegen aber etwa zwischen 1pm und 10nm, genau wie die energiereiche Röntgenstrahlung. Zum Vergleich:
10.000.000 Nanometer (nm) = 1 cm
1.000 Picometer (pm) = 1 Nanometer (nm)
10.000.000.000 Picometer (pm) = 1 cm
Ganz grob kann man sich das Verhältnis eines Nanometers zu einem Zentimeter mit dem Verhältnis der Höhe eines größeren Wohnhauses zur Distanz zwischen Erde und Mond vorstellen. Ein Picometer ist nochmals 1.000 mal kleiner als ein Nanometer.
Auch Neutronen können zur Strukturaufklärung verwendet werden. Neutronen werden allerdings an den Atomkernen gebeugt, während Röntgenstrahlung mit den Elektronenwolken wechselwirken. Beide Verfahren lassen daher leicht unterschiedliche Rückschlüsse auf die Struktur zu und werden fallweise ergänzend eingesetzt. Es ist allerdings deutlich aufwändiger Neutronenstrahlen als Röntgenstrahlen zu erzeugen.
10.000.000 Nanometer (nm) = 1 cm
1.000 Picometer (pm) = 1 Nanometer (nm)
10.000.000.000 Picometer (pm) = 1 cm
Ganz grob kann man sich das Verhältnis eines Nanometers zu einem Zentimeter mit dem Verhältnis der Höhe eines größeren Wohnhauses zur Distanz zwischen Erde und Mond vorstellen. Ein Picometer ist nochmals 1.000 mal kleiner als ein Nanometer.
Auch Neutronen können zur Strukturaufklärung verwendet werden. Neutronen werden allerdings an den Atomkernen gebeugt, während Röntgenstrahlung mit den Elektronenwolken wechselwirken. Beide Verfahren lassen daher leicht unterschiedliche Rückschlüsse auf die Struktur zu und werden fallweise ergänzend eingesetzt. Es ist allerdings deutlich aufwändiger Neutronenstrahlen als Röntgenstrahlen zu erzeugen.
Natriumchlorid (NaCl, Kochsalz) Kristallgitter. [H. Hoffmeister, Wikimedia Commons] |
Da die Streuung von einzelnen Atomen viel zu schwach ausfällt, muss die Probe als Kristall vorliegen, um Aufnahmen mit hinreichender Intensität erzielen zu können. Dann dann addiert sich die Beugung vieler Atome zu einem intensiveren Muster. Dies ist möglich, weil in einem Kristall Atome in einer regelmässigen Anordnung vorliegen. Die obige Abbildung des Kochsalz-Kristalles zeigt eine solche, sehr einfache Anordnung. Proteine haben natürlich eine wesentlich komplexere Kristallstruktur. Die kleinste sich wiederholende geometrische Einheit als Einheitszelle bezeichnet. Um klare Aufnahmen neuartiger Substanzen zu erhalten sollte man möglichst regelmässige Kristalle untersuchen. Nicht nur die Aufnahme und Auswertung, sondern auch die Präparation der Probe, besonders bei komplexen Molekülen wie Proteinen, kann folglich sehr aufwändig ausfallen.
Diffraktionsmuster eines Protein-Kristalls einer SARS Protease [Wikimedia] |
Die Strukturaufklärung mittels Röntgenstrahlung wurde zunächst auf genannte einfache anorganische Substanzen wie Kochsalz (NaCl) oder Flussspat angewandt. Dort hat man es mit Substanzen mit nur wenigen Atomen zu tun (genau zwei beim Kochsalz). Die Auswertung ist auch händisch noch ohne größere Probleme zu bewältigen. Die Grundlagen dieser Methodik wurden zu Beginn des 20. Jahrhunderts unter anderem durch Max von Laue gelegt. Er erhielt 1914 den Nobelpreis "für die Entdeckung der Diffraktion von Röntgenstrahlen an Kristallen." William Henry Bragg und Lawrence Henry Bragg (Vater und Sohn) arbeiteten an den mathematischen Prinzipien und begannen diese Methode zur Strukturaufklärung einzusetzen.
Mit besserem Verständnis der Zusammenhänge konnten zunehmend komplexere Moleküle untersucht werden. Die Röntgenstrukturaufklärung wird damit Mitte des 20. Jahrhunderts zu einem bestimmenden Instrument der Aufklärung komplexer Biomoleküle wie Vitamine, Proteine, Nukleinsäuren und schliesslich auch die DNS. Der Prozess der Strukturaufklärung von Proteinen umfasst (daran hat sich bis heute nichts geändert) mehrere Schritte:
- Reinigung des Proteins (Dauer: 3-6 Monate). Unter Reinheit versteht man sowohl die chemische Reinheit, als auch die Anordnung des Proteins.
- Kristallisation (1-12 Monate)
- Erfassen der Daten (Röntgendiffraktometrie) (1 Monat)
- Ermitteln der Elektronendichte
- Ableiten der Struktur (3 Monate)
Jeder dieser Schritte ist komplex, besonders bei großen Molekülen wie Proteinen. In den 1940er und 1950er Jahren kommt hinzu, dass es noch keine leistungsfähigen Computer gab. Für die Auswertung der Aufnahmen sind aber zum Teil komplexe mathematische Verfahren wie Fouriertransformationen (zur Ermittlung der Elektronendichte) durchzuführen. Was ein Smartphone heute in wenigen Sekunden erledigen könnte, war händisch eine (mühsame) Arbeit von Monaten.
Dennoch ist der gesamte Prozess für eine neue (komplexe) Substanz auch heute noch sehr zeitaufwändig (wie die Zeitangaben in der Liste zeigen) und liegt typischerweise zwischen einem halben Jahr und zwei Jahren. Um beispielsweise die richtigen Bedingungen, unter denen sich Kristalle bilden zu finden, müssen bis zu 1.000 verschiedene Experimente durchgeführt werden (verschiedenste Parameter werden getestet, wie Art des Lösungsmittels, pH-Wert, usw.). Bis heute eine teure Angelegenheit!
Röntgendiffraktometrie ist also durchaus kein historisches Verfahren, sondern wird nach wie vor im analytischen Alltag eingesetzt, selbstverständlich mit wesentlich besserer Unterstützung durch Computer und entsprechender Software. Neben Röntgendiffraktometrie werden heute routinemässig auch Kernresonanzspektrometrie eingesetzt. Auch Elektronenmikroskopie kann zur Strukturaufklärung verwendet werden, hat allerdings geringere Auflösung als Röntgenstrahlung. Ergänzend wird fallweise Neutronenbeugung verwendet.
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1 Kommentar:
Vielen Dank für die verständliche Erläuterung dieser Untersuchungsmethode! Das Wissen wird nun direkt in meinem Studium für Restaurierung von Wandmalereien zur Putzanalyse angewendet.
Mit freundlichen Grüßen
Lili
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