In einem der aktuellen TED-Talks hält der US-General Stanley McChrystal eine ansprechende Rede über Leadership. In seinem Vortrag bezieht er sich auf persönliche Erfahrungen in der US-Army, Erfolge, aber auch Niederlagen. Nach diesem Video ist mir wieder ein sehr fundamentales Dilemma, das viele Menschen betrifft, durch den Kopf gegangen. Gerade das sehr glaubwürdige und vertrauenswürdige Auftreten von General McChrystal macht das Problem der häufig kaum zu vereinbarenden Innensicht eines Systems in dem man steckt mit der Außensicht sehr deutlich:
In unserem täglichen Leben, besonders auch im Arbeitsumfeld, sind die meisten von uns Teil eines größeren Systemes. Dieses System kann eine Universität sein, eine international tätige Firma, aber auch der Staat, wenn man beispielsweise als Beamter, Polizist, oder eben Soldat beschäftigt ist. Die meisten Menschen werden dann auch über die Jahre völlig von diesen Systemen vereinnahmt und verlieren die Fähigkeit eine halbwegs kritische Außensicht zu akzeptieren. Besonders aus der Sicht des Systems in das ihre Arbeit eingebettet ist, können dann Menschen wie General McChrystal auch eine sehr eindrucksvolle Persönlichkeit darstellen. Aber wie sieht es in einer kritischen Außensicht aus?
Versucht man über den Tellerrand des eigenen Systems hinauszublicken gerät man häufig in eine kognitive Dissonanz, die nicht für alle leicht zu ertragen sein kann. Im konkreten Beispiel: Wenn man US-General ist und die höflich gesagt fragwürdigen Ideen eines George Bush ausführen (oder besser ausbaden) muss, darf man wohl nicht all zuviel nachdenken. Man ist dafür verantwortlich, dass junge Menschen, die man selbst in den Irak schickt, sterben. Man ist mitverantwortlich, dass eine Region destabilisiert wird und abertausende Menschen umkommen oder ihrer Lebensgrundlage beraubt werden. Natürlich kann man sich (wie das in der Geschichte so oft passiert ist) darauf ausreden, dass man nur Befehle befolgt. Dies wäre die mit Scheuklappen begleitete systemische Innensicht. Einem intelligenten und kritischen Menschen aber muss dies schlaflose Nächte bereiten. Welchen Ausweg gibt es für einen Soldaten, einen General, dessen System Wiederrede prinzipiell nicht zulässt?
Das Militär ist ein sehr offensichtliches Beispiel. Wenn ich in einer (Investment-) Bank arbeitet, darf ich über die absurden Finanzkonstrukte nicht zu intensiv nachgrübeln. Noch darf ich mir die Frage stellen, ob die Privatpension, die ich einem jungen Menschen andrehe, auch nur irgendwie fundiert ist, oder ob ich nicht von der Marketingabteilung hübsch gezeichnete Märchen darstelle die in Wahrheit nicht vielmehr sind als ein Lotteriespiel, dessen Ergebnis wir in 35 Jahren sehen werden? Arbeite ich bei einem Boulevard-Medium – wie gehe ich damit um, dass viele Eigentümer gelinde gesagt fragwürdige Gestalten mit einer vermutlich noch fragwürdigeren Agenda sind. Und wenn ich Software-Entwickler bin, vielleicht weil ich gerne mit komplexen Systemen arbeite: darf ich mir die Frage stellen, ob meine Systeme dafür (mit)verantwortlich sind, dass andere (Firmen) in die Lage versetzt werden die ohnedies schon äußerst knappen natürlichen Ressourcen in noch schnellerer Zeit zu zerstören? Oder ziehe ich mich dann doch darauf zurück, dass ich ja nur komplexe Systeme integriere und letztlich nicht dafür verantwortlich bin, was damit konkret angestellt wird. Ein Argument, das von Waffenproduzenten auch sehr gerne verwendet wird. Bei Waffen ist die Absurdität der Behauptung nur offensichtlicher.
Haben wir diese Argumentationslinie nicht schon öfter gehört? Haben wir nicht den Kopf geschüttelt, wie es denn sein kann, dass an und für sich anständige Menschen immer tiefer in fragwürdige Geschäfte geraten? Es sind, wie Carol Tavris und Elliot Aronson so schön darstellen, selten die großen Schritte die aus einem "normalen" Menschen einen Verbrecher machen, sondern eine Vielzahl an kleinen Schritten. Eine Vielzahl an kleinen Schritten gepaart mit kleinen Rechtfertigungen, warum gerade dieser eine Schritt jetzt gerade noch vertretbar ist.
Ist es nicht genau dasselbe mit unserer Innen/Aussensicht der Systeme in denen wir arbeiten? Wir sind ganz selten für die großen Probleme direkt verantwortlich. Durch meine Software fallen keine Vögel im Regenwald tot von den Bäumen. Ein General der US-Army rechtfertigt vielleicht den Einsatz im Irak mit der Befreiung des Landes, die langfristig positive Folgen haben werde. Er nimmt an (hofft) dass dies in relativ kurzer Zeit und vertretbaren Verlusten möglich ist. Dann kommt ein kleines Desaster nach dem anderen. Ein Terror Anschlag, Soldaten die auf Zivilisten schießen, fehlgeleitete Drohnen. Jedes Missgeschick, jedes Problem wird individuell entschuldigt, die Summe aus den Augen verloren. Es sind also eher die vielen kleinen Entscheidungen und Entschuldigungen die nach längerer Zeit dazu führen können, dass wir uns in eine Richtung entwickeln, Dinge tun, eine Rolle einnehmen, die mit unseren Überzeugungen vor vielleicht 10 Jahren durch nichts zu rechtfertigen gewesen wären.
In einer besonders schwierigen Rolle, und damit schließt sich der Kreis, stehen natürlich diejenigen die sich in einer Führungsposition befinden. Denn von einer Führungspersönlichkeit erwartet man den weiteren Blick, die Entscheidung in die richtige Richtung. Denn gerade das macht ja einen Manager, einen General aus. Aber sind nicht letztlich sogar 4-Sterne Generale und CEOs in einem systemischen Zwang gefangen? Vielleicht ist gerade diese Dissonanz auch der Grund, warum sich viele Menschen auch dann immer tiefer in den bekannten und geschützten Raum ihres Systems, sei das die US-Army, die Investmentbank oder die Firma in der man arbeitet, vergraben. Denn hält man den Kopf aus dem Fenster bläst meist ein sehr kalter Wind, den nicht jeder ertragan kann und will. Und eine Entscheidung zurück würde einen großen Teil des eigenen Lebenswegs in Frage stellen.
Ist es nicht genau dasselbe mit unserer Innen/Aussensicht der Systeme in denen wir arbeiten? Wir sind ganz selten für die großen Probleme direkt verantwortlich. Durch meine Software fallen keine Vögel im Regenwald tot von den Bäumen. Ein General der US-Army rechtfertigt vielleicht den Einsatz im Irak mit der Befreiung des Landes, die langfristig positive Folgen haben werde. Er nimmt an (hofft) dass dies in relativ kurzer Zeit und vertretbaren Verlusten möglich ist. Dann kommt ein kleines Desaster nach dem anderen. Ein Terror Anschlag, Soldaten die auf Zivilisten schießen, fehlgeleitete Drohnen. Jedes Missgeschick, jedes Problem wird individuell entschuldigt, die Summe aus den Augen verloren. Es sind also eher die vielen kleinen Entscheidungen und Entschuldigungen die nach längerer Zeit dazu führen können, dass wir uns in eine Richtung entwickeln, Dinge tun, eine Rolle einnehmen, die mit unseren Überzeugungen vor vielleicht 10 Jahren durch nichts zu rechtfertigen gewesen wären.
In einer besonders schwierigen Rolle, und damit schließt sich der Kreis, stehen natürlich diejenigen die sich in einer Führungsposition befinden. Denn von einer Führungspersönlichkeit erwartet man den weiteren Blick, die Entscheidung in die richtige Richtung. Denn gerade das macht ja einen Manager, einen General aus. Aber sind nicht letztlich sogar 4-Sterne Generale und CEOs in einem systemischen Zwang gefangen? Vielleicht ist gerade diese Dissonanz auch der Grund, warum sich viele Menschen auch dann immer tiefer in den bekannten und geschützten Raum ihres Systems, sei das die US-Army, die Investmentbank oder die Firma in der man arbeitet, vergraben. Denn hält man den Kopf aus dem Fenster bläst meist ein sehr kalter Wind, den nicht jeder ertragan kann und will. Und eine Entscheidung zurück würde einen großen Teil des eigenen Lebenswegs in Frage stellen.
Noch schwieriger wird die nächste Ebene der Betrachtung: wir sind nahezu immer in Systeme eingebettet (Arbeit, Gesellschaft, Mobilität, Konsum, Geldwesen, ...) die Schattenseiten haben, und deren negativen Auswirkungen wir eigentlich nur schwer ignorieren dürften. Aber was sind die Alternativen? Können wir es ertragen alles in Frage zu stellen? Und bis zu welchem Grad ist es in Ordnung mitzuspielen, und ab welchem Punkt ist man einen Schritt zu weit gegangen? Dies ist eine im Detail sehr schwierige persönliche Frage, deren Beantwortung von den meisten Menschen gerne vermieden wird, weil sie selbst für integre Personen kaum zu bewältigen ist.
Wenn am Ende das System explodiert oder massiven Schaden anrichtet, fühlt sich in logischer Konsequenz niemand verantwortlich. Niemand will gewusst haben, was denn die eigene Arbeit so alles angerichtet hat. Jeder hat nur seine Pflicht getan, seine Rolle im System ausgefüllt, seinen "Job" gemacht.
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