Freitag, 30. April 2010

Das Humangenomprojekt: Wirtschaft, Politik, Wissenschaft

Vor ziemlich genau 10 Jahren, genau gesagt am 26. Juni 2000 wurde die Entschlüsselung des menschlichen Genoms vom damaligen Präsidenten der USA Bill Clinton sowie dem britischen Premierminister Tony Blair bekanntgegeben. Dieser Ankündigung ist ein "Wettrennen" zwischen Labors die hauptsächlich aus öffentlichen Geldern finanziert wurden und der von Craig Venter gegründeten Firma Celera vorangegangen. Interessant in diesem Zusammenhang ist vor allem, dass Celera mit einem Budget von etwa 300 Millionen US$ operierte, das öffentlich geförderte Projekt hingegen über ein Budget von etwa 3 Milliarden US$ verfügte. Auch wenn das Thema natürlich höchst spannend ist (und Craig Venter das damalige finanzielle Ungleichgewicht gerne zum Anlass nimmt seine eigene Überlegenheit in den Vordergrund zu stellen) soll dieser Aspekt hier nicht im Vordergrund stehen. Das Humangenom Projekt ist für mich vor allen Dingen ein gutes Beispiel für die intensive Verschränkung von Wissenschaft, Politik und Wirtschaft in vielen Großforschungsvorhaben. 

In den späten 90er Jahren gab es rund um das Human-Genom Projekt – einem Goldrausch gleich – eine ganze Reihe an Firmengründungen und die meisten dieser Firmen existieren heute nicht mehr. Das Projekt wurde zunächst von vielen als potentielle Goldgrube gesehen und unrealistische Erwartungen an kurzfristige (medizinische) Möglichkeiten die sich durch diese Daten erschliessen waren an der Tagesordnung. Den ersten wirtschaftlichen Dämpfer gab es allerdings schon vor der offiziellen Bekanntgabe der Entschlüsselung, nämlich im März 2000. Bill Clinton gab bekannt, dass sich die Genom-Sequenzen des Menschen nicht patentieren lassen würden. Ein aus wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Sicht, wie ich denke, bahnbrechener Entschluss. Mit dieser Ankündigung kollabierten schon die ersten auf Spekulationen aufgebauten Firmen die sich rund um das Projekt gebildet hatten. Auch der Aktienkurs von Venters Celera fiel dramatisch.

Der nächste wirtschaftliche Dämpfer ergab sich in den Jahren nach der "Veröffentlichung" des menschlichen Genoms. Einerseits war die Pressekonferenz im Juni 2000 im wesentlichen eine Polit-Show, denn zu diesem Zeitpunkr war die Sequenzierungnicht einmal abgeschlossen. Andererseits war niemandem so recht klar, was jetzt mit diesen riesigen Datenmengen wirklich anzufangen ist. Damit  ist das Humangenomprojekt nicht nur einem der "üblichen" wissenschaftlichen Hypes, zum Opfer gefallen, sondern durch die Verquickung von Wirschaft, Politik, persönlichen Interessen und Wissenschaft ein em "Turbo-Hype". Man darf nicht vergessen, dass das Projekt in den Jahren und Jahrzehnten vor 2000 große Summen an wissenschaftlicher Förderung sowie an privatem Kapital benötigte. Nun neigen Wissenschafter ohnedies dazu die kurzfristigen Möglichkeiten neuer Erkenntnisse deutlich überzubewerten (und dafür die langfristigen zu unterschätzen). In diesem Fall war der Hype wohl auch "notwendig" und von vielen erwünscht um das benötigte Kapital aufstellen zu können.

Nach 2000 kam dann Katerstimmung auf; die Party war vorbei und es wurde langsam klar, dass sich aus Unmengen von Daten noch keine unmittelbaren Anwendungen erschliessen lassen. Die Aufräumarbeiten nach der Party waren mühsam und langwierig. Viele Firmen die auf kurzfristige Erfolge gesetzt hatten gingen in Konkurs und das Interesse der Politik und der Öffentlichkeit ging deutlich zurück.

Und dennoch sollten die letzten 10 Jahre aus wissenschaftlicher Sicht nicht unterschätzt werden. Nicht nur wurden Sequenzierverfahren dramatisch beschleunigt, sodass heute das gesamte Genom eines Menschen für wenige 1000 Euro zu entschlüsseln ist. Auch war die freie Verfügbarkeit der Genomdaten eine wichtige Grundlage der Grundlagenforschung der letzten 10 Jahre. So wenig unmittelbare Erfolge nach 2000 gefeiert werden konnten, umso mehr ist von den nächsten Jahren und Jahrzehnten zu erwarten. Man denke an Beispiele wie die früher so genannte Junk-DNA die von vielen Forschern heute als dunkle Energie der Genetik bezeichnet wird (in Anspielung an die Probleme der Kosmologie die Masse des Universums zu erklären).

Das Beispiel zeigt aber auch tiefer liegende Probleme: Moderner Grundlagenforschung wird in vielen Fachbereichen exponentiell teurer, man denke auch an Teilchen- oder Astrophysik. Was vor hundert Jahren noch eine handvoll Wissenschafter in relativ kleinem Massstab erforschen konnten, benötigt heute tausende Wissenschafter und Milliardenbudgets. Gleichzeitig ergeben sich aus diesen Projekten in der Regel keine kurzfristig nutzbaren und vermarktbaren neue Technologien. Die kurze Aufmerksamkeitsspanne von Öffentlichkeit und Politik, und die immer kürzer werdenden Investitionszyklen der Industrie könnten Grundlagenforschung dieser Art in den nächsten Jahren in Gefahr bringen. Gleichzeitig hat sich in der Geschichte der Wissenschaft aber die eminente Bedeutung der Grundlagenforschung, auch für neue Technologien immer wieder gezeigt. Wachsende Kosten werden  aber zwangsläufig auch dazu führen, dass neue Projekte in immer stärkerer Konkurrenz zu Projekten anderer Disziplinen geraten. Mehr zu diesem Gedanken in meinem letzten Posting.

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Zum Abschluss...

Es freut mich, dass Sie sich die Zeit genommen haben, mein Blog zu lesen. Natürlich sind viele Dinge, die ich hier diskutiere aus einem subjektiven Blickwinkel geschrieben. Vielleicht teilen Sie einige Ansichten auch nicht: Es würde mich jedenfalls freuen, Kommentare zu lesen...

Noch ein Zitat zum Schluß:

"Ich verhielt mich so, als wartete ein Heer von Zwergen nur darauf, meine Einsicht in das Tagesproblem, zur Urteilsfindung von Gesellschaft und Politik zu übersetzen. Und nun stellt sich heraus: Dieses Heer gibt es nicht.

Ganz im Gegenteil erweist sich das kulturelle Getriebe als selbstimmunisierend gegen Kritik und Widerlegung. Es ist dem Lernen feind und wehrt sich in kollektiver Geschlossenheit gegen Umdeutung und Innovation.", Rupert Riedl, Evolution und Erkenntnis, Piper (1985)

:-)