Dienstag, 16. März 2010

Forschung: Flanieren in die Zukunft?

Ich habe in letzter Zeit mehrmals über Forschungsfinanzierung bzw. die Zukunft der Wissenschaft diskutiert. In diesem Kontext taucht immer wieder eine Frage auf: Wer bestimmt eigentlich die Richtung in die geforscht wird?

In der Theorie ist der  Forscher weitgehend unbeeinflusst und bestimmt selbst die Themen die es wert sind zu untersuchen. In der Praxis trifft dies jedoch aus verschiedenen Gründen nicht zu. Ohne hier zu sehr ins Detail zu gehen, aber nennen könnte man die immer höheren Kosten die Forschungsprojekte (v.a. in den Naturwissenschaften) verursachen. Diese können kaum ohne zusätzliche Projektmittel bewältigt werden. Dazu kommt weiters, dass Reputation heute hauptsächlich über zwei Parameter gemessen wird: (1) Publikation (Anzahl und teilweise auch Qualität der Medien) und (2) Menge der eingeworbenen Drittmittel. Beides ist aber nur (kurz- und mittelfristig) erfolgreich zu bewältigen wenn man einigermassen im Mainstream forscht; denn andernfalls fehlen die Medien in denen man vernünftig publizieren kann sowie die Fördergeber.

Die praktische Konsequenz ist klar: es gibt eine massive Steuerung über (1) Forschungsförderung (oder aber auch gezielte nicht-Förderung, z.B. Kernforschung) und (2) Industrieinteressen. Daraus ergeben sich Forschungs-Mainstreams an denen sich dann auch Konferenzen und Zeitschriften orientieren und die wiederrum neue Forscher anziehen. Warum sind beispielsweise in der Informatik "Ontologien" in den letzten fünf Jahren so ein heißes Thema? Weil es so wesentliche Fortschritte gibt? Weil die Erkenntnisse die Informatik wesentlich weitergebracht hat? Kaum. Natürlich gab es Fortschritte und auch durchaus wesentliche Erkenntnisse, aber keinesfalls in dem Umfang in dem auf diesem Gebiet "geforscht" wird. Genauergesagt wird gar nicht so viel in diesem Kontext geforscht, aber "Ontologie" ist ein cooles Buzzword das sich gut eignet um es auf Forschungsanträge verschiedener Richtung zu kleben. Es ist weich genug, dass man oft in diese Richtung argumentieren kann, es gibt eine Menge an Konferenzen und Forschungsmittel.

Daraus folgt, dass die Richtung in die geforscht wird aktiv von den Rahmenbedingungen beeinflusst wird. Wie aber sollen dann die Prioritäten gesetzt werden? Denken wir an wirklich kostspielige Projekte z.B. in der Raumfahrt oder Teilchenphysik (z.B. CERN)? Hier gibt es fallweise auch durchaus gut begründete Kritik die Schwerpunktsetzung zu verschieben. Denken wir an die großen Summen die in die Raumfahrt investiert wurden und werden; dabei hat die Argumentation durchaus Gewicht, dass wir unser Sonnensystem mittlerweile besser kennen als unsere Ozeane. Ist es gerechtfertigt Unsummen in CERN auszugeben um vielleicht das Higgs Boson zu finden, oder wäre es für unser Überleben nicht doch etwas wichtiger Klima- und Energieforschung ähnlich zu dotieren? Die Mittel sind leider nicht unbegrenzt und Aktivitäten wie CERN oder "Marsflüge" sind wissenschaftlich spannend, aber doch auch unter dem Gesichtspunkt zu sehen, was man alternativ mit den Finanzen hätte ausrichten können.

Diese Argumente hören sich in der Theorie gut an. Das Kernproblem ist aber, dass wir nicht wirklich wissen, welche Kenntnisse und Technologien wir in der Zukunft brauchen werden. Denken wir an die Investitionen in die Raumfahrt in den 60er und 70er Jahren: erst diese Investitionen ermöglichen uns Satellitentechnologien die heute die Grundlagen für Klimaforschung und Ozeanologie liefern. Was aber heute ideologisch nicht opportun ist und nicht beforscht wird, kann mittelfristig massiven Schaden verursachen.

Die Atompanik der 70er und 80er Jahre auf der anderen Seite hat nicht nur dazu geführt, dass es weniger Atomkraftwerke traditioneller Bauart gibt (und stattdessen unsere Stromversorgung zu einem erheblichen Maße durch Kohlekraft erfolgt) sondern vor allem auch dazu, dass Forschung und Entwicklung (auf Universitäten wie in Firmen) fast zum Erliegen gekommen ist. Neue Reaktorkonzepte kommen jetzt mit vielleicht 20 Jahren Verspätung auf den Markt (wenn überhaupt) und gute Forscher sind diesem wichtigen Gebiet abhanden gekommen. Der gute Wille, aber schlecht fundierte Aktionismus der Umweltbewegung in den 70er und 80er Jahren haben also die heutige Misere in der Energieversorgung zumindest mitverursacht. 

Was ist die Lösung? Ich kann leider kein Patentrezept anbieten, ich denke aber dass die oft gescholtene "Giesskannenförderung" nicht unbedingt das schlechteste Rezept sein muss. Wenn es nicht klar ist, welche Erkenntnisse wir in der Zukunft dringend benötigen werden, so sollte man den Blick nicht zu früh einengen. Auch sollte der Trend umgekehrt werden Forschung hauptsächlich durch Projektmittel zu finanzieren. Dies hat immer eine steuernde Wirkung und die Wissenschafter richten die Segel nach dem Wind, nicht nach ihren Ideen oder besserem Wissen (oder sie kleben falsche Etiketten auf ihre Anträge um den Rahmenbedingungen zu genügen). Eine stärkere und langfristigere Basisförderung der Universitäten könnte dem entgegenwirken. Weiters sind Investitionen in eine offene Forschung eine Überlebensversicherung unserer Gesellschaft und sollten entgegen aller Krisen ausgeweitet werden. 

Unter offener Forschung verstehe ich konkret, dass Forschungsergebnisse die mit öffentlichen Mitteln finanziert werden (entgegen aktuellen Trends) keinesfalls patentiert werden dürfen. Je offener die mögliche Verwendung, der Diskurs ist, desto mehr Möglichkeiten bieten sich und desto mehr wird durch die Forschungsmittel bewirkt. Folglich darf die Publikation auch nicht in "abgeschotteten" Magazinen erfolgen; öffentlich finanzierte Forschung sollte so publiziert werden, dass jeder leicht Zugang zu den Ergebnissen erhalten kann (also beispielsweise durch Publikation in Open Access Journalen).

Keine Kommentare:

Zum Abschluss...

Es freut mich, dass Sie sich die Zeit genommen haben, mein Blog zu lesen. Natürlich sind viele Dinge, die ich hier diskutiere aus einem subjektiven Blickwinkel geschrieben. Vielleicht teilen Sie einige Ansichten auch nicht: Es würde mich jedenfalls freuen, Kommentare zu lesen...

Noch ein Zitat zum Schluß:

"Ich verhielt mich so, als wartete ein Heer von Zwergen nur darauf, meine Einsicht in das Tagesproblem, zur Urteilsfindung von Gesellschaft und Politik zu übersetzen. Und nun stellt sich heraus: Dieses Heer gibt es nicht.

Ganz im Gegenteil erweist sich das kulturelle Getriebe als selbstimmunisierend gegen Kritik und Widerlegung. Es ist dem Lernen feind und wehrt sich in kollektiver Geschlossenheit gegen Umdeutung und Innovation.", Rupert Riedl, Evolution und Erkenntnis, Piper (1985)

:-)