Spricht man über die kaum mehr in menschlichen Dimensionen liegenden globalen Herausforderungen, etwa den Klimawandel, so hört man immer wieder eine Ansicht, vielleicht auch so etwas wie eine “letzte Hoffnung": wenn es erst schlimm genug ist, werden die Menschen aufwachen und an einem Strang ziehen.
So sehr ich diese Hoffnung teilen wollte, ich fürchte, sie unterliegt einem groben Irrtum. Denn Psychologie skaliert nicht. Wie Nassim Taleb in seinem letzten Buch sehr treffen ausdrückt: Eine Dorf ist keine große Familie, eine Stadt kein großes Dorf und die Welt keine große Stadt – die Idee des globalen Dorfes (indem wir seit der Digitalisierung angeblich leben) ist daher Unfug.
In einer kleinen Gruppe von Menschen, einer Familie, vielleicht einem kleinen Dorf mag der vorgeschlagene Mechanismus des Aufrüttelns und Zusammenhaltens möglicherweise funktionieren. Jeder kennt jeden, und vor allem: jeder sieht und beobachtet jeden – und dies über lange Zeiträume. Vertrauen lässt sich daher vergleichsweise leicht etablieren. Es ist nicht einfach (sanktionslos), die anderen zu hintergehen und sich etwa die letzten verfügbaren Ressourcen anzueignen.
»it was the spring of hope, it was the winter of despair« noch ist es nicht Winter... |
In einer Nation, der Welt gar, funktioniert dies mit Sicherheit nicht. Diese Mechanismen skalieren nicht von der Familie oder der dörflichen Gemeinschaft. Sie müssen auf irgendeine Weise in globalen Strukturen etabliert werden. Dazu kommt, dass wir auch über militärische Mittel verfügen, wo einzelne Parteien die gesamte Welt existentiell bedrohen, etwa Atomwaffen oder Biowaffen. Diese müssten rechtzeitig unschädlich gemacht werden um sicher zu stellen, dass sie im Krisenfall nicht von außer Kontrolle geratenen Kleingruppen verwendet werden. Ein aktuell kaum vorstellbares Szenario, dass dies rechtzeitig gelingen könnte.
Schon ein kurzer Blick aus dem Fenster im Jahr 2018 ist ernüchternd: Der Druck ist zweifellos am steigen – ein klein wenig. In Wahrheit ist noch vollständig Eitel Wonne. Jedenfalls in Mitteleuropa. Und dennoch brennt Paris, weil dringend notwendige Benzin- und Dieselsteuern eingehoben werden sollen. Ohnedies viel zu wenig um nennenswert etwas gegen den Klimawandel zu unternehmen, und nicht einmal das ist in einem der (noch) reichsten Nationen der Welt zu schaffen. Ein nicht greifbarer Mob ohne Führung legt Paris und eine gewählte Regierung lahm. Eine Regierung, die nicht in der Lage ist, in einer Situation des Wohlstandes notwendige kleine Schritte zu setzen, diese sozial gerecht zu verteilen und glaubwürdig zu kommunizieren.
Dies ist ein beliebiges, nahezu banales Beispiel. Ähnliche Szenen erleben wir in ganz Europa und den USA auf verschiedenen Ebenen. Und, nochmals: der Druck ist noch nicht einmal wirklich spürbar.
Wenn Wirtschaftssystem und wesentliche Ökosysteme tatsächlich (jedenfalls teilweise) kollabieren und Umweltkatastrophen in Regelmäßigkeit Landstriche verwüsten oder die Nahrungsversorgung ganzer Nationen bedrohen, werden wir dann aufwachen und plötzlich alle friedlich und rational gemeinsam an einem Strang ziehen?
Vielleicht. Aber ich fürchte nur um den Nachbarn daran aufzuhängen und sein Haus zu plündern.
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