Montag, 28. April 2008

Homöopathie: Etablierte Plazebo-Infrastrukturen

Ich habe nach meinem letzten Posting über Homöopathie noch einen interessanten Aspekt entdeckt. Ich denke, dass man einerseits guten Gewissens sagen kann, dass es über Homöopathie kaum wissenschaftliche Diskussion gibt, einfach weil das Thema sachlich abgehakt ist: es gibt keine Wirkung von Homöopathie über den Plazebo Effekt hinaus.

Gerade dies ist aber der interessante Aspekt. Natürlich gibt es naive Zeitgenossen auch unter den Ärzten und Apothekern (oder solche, für die schnelles Geld wichtiger ist als den Patienten korrekt zu behandeln), aber ich habe noch eine andere Vermutung, die ich im letzten Posting schon angedeutet habe: vielleicht sehen auch seriöse Ärzte in der Homöopathie eine Chance (die sie natürlich nicht publik machen können), können sie bei Befindlichkeitsstörungen aller Art doch Homöopathie verschreiben ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Sie wirkt nicht, schadet nicht, aber der Patient ist zufrieden, und die Apotheken machen Geld, werden sich also auch nicht beklagen.

Anders ausgedrückt: die Homöopathie Welle hat den Ärzten die Möglichkeit gegeben Plazebos zu verschreiben und dies hinter mystischen Wirkzusammenhängen zu verschleiern und damit das Plazebo funktional zu halten. Bisher gab es ja meines Wissens nach kaum die Möglichkeit Plazebos zu verschreiben (ausser im Spital) ohne dass es der Patient mitbekommt. Insofern könnte man das als Fortschritt sehen. Zumindest dann, wenn man die Ansicht vertritt, dass der Zweck jedes Mittel heiligt.

Ich bin nicht dieser Meinung und denke dass dies der falsche Weg ist, selbst wenn man diese "positive" Interpretation als Basis annimmt: Die Wahrheit ist einem erwachsenen Menschen zumutbar; der Konsument/Patient wird heute aber fundamental getäuscht und es wird eine ganze Industrie auf dieser Lüge aufgebaut. Ausserdem bereiten Irrationalitäten dieses Ausmasses den Boden für weitere Irrationalitäten auf (und derer gibt es leider wirklich genug, v.a. im medizinischen Umfeld).

Ich glaube, dass Ärzte und Apotheker mit den Patienten ehrlich umgehen und solche Täuschungen keinen Platz haben sollten. Patienten sind als mündige Menschen zu betrachten (wenn Sie es noch nicht sind auf diesen Weg zu bringen), und nicht wie Kinder mit bunten Zuckerln getäuscht werden-und sei es auch in der besten Absicht helfen zu wollen.

Update: In der Episode #144 des Sceptics Guide to the Universe ist ein Interview mit Simon Singh; was soll ich sagen, ich "liebe" Simon Singh-ein herausragender Science Writer. Es gelingt ihm eigentlich immer scheinbar "trockene" Themen ohne sie inhatlich zu verfälschen spannend, ja geradezu mitreißend zu erzählen (sehr empfehlenswert sind z.B. Fermats letzter Satz oder Geheime Botschaften). Genug der Vorrede: Singh bringt gerade ein neues Buch auf den Markt: Trick or Treatment, indem er sich mit sogenannten "alternativen" Heilmethoden auseinandersetzt. An diesem Buch kann ich wohl kaum vorbeigehen. Zurück zum Sceptics Guide: in dieser genannten Episode 144, wird ab Minute 39:20 Singh interviewt, und er gibt einen guten Einblick in die Themen seines Buches und setzt sich auch mit Homöopathie auseinander. Sehr hörenswert!!

Montag, 7. April 2008

Auszeichnungspflicht!

Ich habe mich schon in einem früheren Posting mit dem Problem der Rohstoff/Energieverschwendung v.a. im Hinblick auf den gesamten Lebenszyklus eines Produktes beschäftigt. Jetzt habe ich gerade wieder einen sehr interessanten SWR2 Aula Bericht gehört: Wolfram Mauser "Das Blaue vom Globus", setzt sich mit der globalen Wasserverschwendung auseinander und versucht Wege aufzuzeigen, wie man mit dem vorhandenen Wasser global effizienter umgehen kann. Auch er bringt wieder Zahlen die nachdenklich machen: Wir verbrauchen bspw. pro Person pro Tag etwa 5 Liter Trinkwasser, für industrielle Güter etwa 120 Liter aber für die Lebensmittelproduktion etwa 3400 Liter pro Tag! 

Eine kurze Abschweifung: In einer amerikanischen Diskussion hat einer der Experten (damals ging es um Energieverbrauch/Autos) die Ansicht vertreten, dass wir in Europa im Prinzip "vom Mindset her" weiter sind als Amerika: er meinte, es wäre richtig zu erkennen, dass sich der Energieverbrauch der Geselschaft in eine falsche Richtung bewegt, z.B. weil die Energie hauptsächlich von fossilen Brennstofen abhängt und politisch steuernd einzugreifen. Er hielt es aber für falsch, wenn die Politik versucht die Alternativen selbst zu identifizieren und diese konkret zu fördern, man sollte vielmehr die unerwünschten Aktivitäten teurer machen (z.B. durch Steuern).

Ich denke, dass das eine richtige Erkenntnis ist. Konkret gesagt: wir sollten nicht Windenergie oder Solarstrom fördern, sondern Öl und Gas so teuer machen, dass sich die "Kräfte des Marktes" mobilisieren und das machen, was sie am besten können: kostengünstige Alternativen suchen, die dann z.B. Windenergie und Solarstrom sein können, aber nicht müssen. Natürlich besteht dabei die Gefahr, dass der Industrie irgendwelche "Teufeleien" einfallen indem sie schmutzige Produktion billig aber aus Umweltsicht fatal ins Ausland auslagern, z.B. in Form von Bio-Kraftstoff Plantagen in abgeholzten Regenwäldern in Entwicklungsländern (wie heute z.B. die Palmöl Produktion). Hier müsste man natürlich wieder gegensteuern.

Aber ich denke, dass die grundsätzliche Idee richtig ist, und sich, und jetzt komme ich wieder auf den Anfang des Postings zurück, auch auf andere Formen der Verschwendung anwenden und sich in mehreren Schritten implementieren lassen: 

(1) Zunächst sollte man eine Auzeichnungspflicht vorschreiben, die die wesentlichsten Parameter für den Kunden erfasst, also z.B. wieviel Energie wird/wurde verbraucht, und zwar für den gesamten Lebenszyklus des Gerätes oder allgemein des Gutes. Wieviel Resourcen (Wasser, ...) wurde dabei verbraucht. Wenn wir heute im Supermarkt nur zwischen zwei Säcken Kartoffeln wählen müssen, oder zwei verschiedenen Arten von Joghurt ist es fast nicht möglich zu erkennen, dass der eine Sack Kartoffel aus Zypern angekarrt wurde, der andere aber aus Niederösterreich stammt. Dasselbe gilt für Autos, Mobiltelfone, Computer usw. 

Wären diese Produkte mit den entsprechenden Auszeichnungen versehen, würde auch ein stärkerer Druck auf die Händler und Produzenten ausgeübt werden. Ebenso würde sich vielleicht manche fragwürdige Diskussionen erübrigen; z.B. ob es so wichtig ist, ob ein Auto 5 oder 7 Liter auf 100 km verbraucht. Wenn wir den Energieverbrauch von Produktion bis Entsorgung betrachten, werden wir vermutlich sofort feststellen, dass diese Größe irrelevant ist. 

Ein weiterer Effekt, der ebenfalls die Transparenz erhöhen würde, wäre wohl der, dass für die Ermittlung dieser Größen neue Agenturen und Experten sowie neue Verfahren der Berechnung benötigt werden würden. Ebenso müssten die Angaben prüfbar sein. Damit würde das Augenmerk der Gesellschaft viel stärker auch auf die internationalen "Machenschaften" mancher Industriebetriebe gelenkt werden. Dies gilt im negativen aber natürliche ebenso im positiven Sinne! D.h. auch diejenigen Produzenten die heute schon effizient und ökologisch nachhaltig produzieren könnten dies viel deutlicher hervorheben.

(2) Der nächste Schritt müsste dann politische Steuerung sein, indem man z.B. Steuern auf Verbrauchswerte aufschlägt, also z.B. Rohstoffverbrauch, Energieverbrauch etc. Bzw. eine Idee die ich kürzlich gehört habe: das Steuersystem kennt auch Abschreibungen. Es ist z.B. nicht einzusehen, warum wir es finanziell fördern(!), dass sich Firmen ineffiziente Dienstwägen zulegen. Hier könnte man die Absetzbarkeit vom Gesamtenergie/ressourcenverbrauch plus Spritverbrauch abhängig machen und entsprechende Grenzwerte einsetzen.

Diese Massnahmen hätte einen direkten steuernden Effekt hin zu effizienteren Gütern, effizienteren Systemen und umweltfreundlicherem Verhalten. Ausserdem wäre das auch für die Politik einfacher, weil sie sich keine konkreten Alternativen überlegen muss. Dies ist auch darum vorteilhaft, weil nicht nur sparsamere Alternativen indirekt gefördert werden (also z.B. Windenergie statt Kohle) sondern auch die Vermeidung, also die Verringerung des Verbrauchs sich günstig auswirkt ohne extra gefördert werden zu müssen.

Donnerstag, 3. April 2008

"Quantenerminologie" Teil 2: Das Messen

Im aktuellen Spektrum der Wissenschaft (April 2008) ist ein Artikel über "Die Parallelwelten des Hugh Everett". Ein spannender Artikel, der sich mit den verschiedenen Interpretationen der Quantetheorie auseinandersetzt und v.a. die Kopenhagener Deutung der Vielwelten-Deutung Everetts gegenüberstellt.

Ich möchte hier aber wieder eine kleine semantische Kritik anbringen. Leider findet man im Text häufig den Begriff der Messung, z.B.: "Welche dieser Konfigurationen wir aber tatsächlich messen, ist anscheinend Zufall" oder "Denn im Moment der Messung scheint die Wellenfunktion [...] zu kollabieren." usw.

Ich habe vor einiger Zeit in einem anderen Blog Artikel einige Ansichten über Probleme, die falsche oder wenigstens problematische Verwendung von Worten (besonders in der Teilchenphysik) auslösen kann. Hier trifft dies aus meiner Sicht wieder zu. Natürlich ist es nicht falsch, wenn das Wort Messung verwendet wird, es ist aber aus meiner Sicht irreführend, bzw. kann den Leser auf eine falsche Fährte führen: Der Punkt ist, es geht überhaupt nicht um Messungen, denn diese sind nur ein (sehr seltener) Spezialfall von Systeminteraktionen.

Eine Messung ist eine Interaktion von wenigstens zwei Systemen, die ein Mensch geplant veranlasst um irgendeine Information über eines der Systeme zu gewinnen. Spricht man in dem oben genannten Zusammenhang von Messung, so setzt sich leicht die falsche Annahme fest, dass die genannten Effekte ohnedies nur im Labor oder im wissenschaftlichen Experiment vorkommen, also für unseren Alltag vielleicht gar nicht so relevant sind. Dies ist natürlich falsch, denn das Wort "Messung" kann im Artikel durch "Interaktion von Systemen" ersetzt werden. Und diese passiert pausenlos: egal ob wir Nachdenken, Autofahren, ob ein Stein auf dem anderen liegt oder der Mond um die Erde kreist.

Ich persönlich meine (um mich aus dem vorigen Blog Artikel zu widerholen), dass es vorteilhaft wäre die Worte die in diesem Kontext verwendet werden gründlicher zu wählen, weil wir sonst leicht am eigentlichen Thema vorbeireden, oder dieses jedenfalls verwirren können.

Zum Abschluss...

Es freut mich, dass Sie sich die Zeit genommen haben, mein Blog zu lesen. Natürlich sind viele Dinge, die ich hier diskutiere aus einem subjektiven Blickwinkel geschrieben. Vielleicht teilen Sie einige Ansichten auch nicht: Es würde mich jedenfalls freuen, Kommentare zu lesen...

Noch ein Zitat zum Schluß:

"Ich verhielt mich so, als wartete ein Heer von Zwergen nur darauf, meine Einsicht in das Tagesproblem, zur Urteilsfindung von Gesellschaft und Politik zu übersetzen. Und nun stellt sich heraus: Dieses Heer gibt es nicht.

Ganz im Gegenteil erweist sich das kulturelle Getriebe als selbstimmunisierend gegen Kritik und Widerlegung. Es ist dem Lernen feind und wehrt sich in kollektiver Geschlossenheit gegen Umdeutung und Innovation.", Rupert Riedl, Evolution und Erkenntnis, Piper (1985)

:-)