Dienstag, 21. Juni 2022

Das Spiel — Inspiration für die nächste Generation

 

Kürzlich bin ich wieder einmal über das hervorragende Buch von Manfred Eigen (Nobelpreis für Chemie 1967) und Ruthild Winkler Das Spiel, Naturgesetze steuern den Zufall gestoßen. Dies ist für mich eines der bahnbrechenden Wissenschaftsbücher, die sich an eine gebildete, aber breite Leserschaft gerichtet haben. Dieses Buch ist Ende der 1970er Jahre in Deutsch und wenige Jahre später mit dem Titel Laws of the Game in Englisch erschienen.

Manfred Eigen (2006)

Im 20. Jahrhundert gab es eine Tradition, dass herausragende Wissenschafter, oft spät in ihrer Karriere, Bücher geschrieben haben, deren Perspektive weit über ihren engeren Fachbereich hinausgegangen ist. Diese Büche haben eine Breite und gleichzeitig eine Tiefe gezeigt, die für die Autoren ein Risiko waren — sie haben sich weit aufs Eis hinausgewagt — gleichzeitig aber neue Wege des Denkens eröffnet und Generationen junger Wissenschafter motiviert haben. 

Eines der ersten Bücher, das mir in diesem Kontext einfällt ist, Was ist Leben von Erwin Schrödinger. Schrödinger beschreibt die Problematik in der Einleitung zu seinem Buch:

»Bei einem Mann der Wissenschaft darf man ein unmittelbares, durchdringendes und vollständiges Wissen in einem begrenzten Stoffgebiet voraussetzen. Darum erwartet man von ihm gewöhnlich, dass er von einem Thema, das er nicht beherrscht, die Finger lässt. [...]

Aber das Wachstum in die Weite und Tiefe, das die mannigfaltigen Wissenszweige seit etwa einem Jahrhundert zeigen, stellt uns vor ein seltsames Dilemma. Es wird uns klar, dass wir erst jetzt beginnen, verlässliches Material zu sammeln, um unser gesamtes Wissensgut zu einer Ganzheit zu verbinden. Andererseits aber ist es einem einzelnen Verstande beinahe unmöglich geworden, mehr als nur einen kleinen spezialisierten Teil zu beherrschen.

Wenn wir unser wahres Ziel nicht für immer aufgeben wollen, dann dürfte es nur den einen Ausweg aus dem Dilemma geben: daß einge von uns sich an die Zusammenschau von Tatsachen und Theorien wagen, auch wenn ihr Wissen teilweise aus zweiter Hand stammt und unvollständig ist – und sie Gefahr laufen, sich lächerlich zu machen.«

Und er hat sein Ziel mit Bravour erreicht: zahlreiche spätere Nobelpreisträger, wie auch Watson und Crick, haben dieses Buch als Inspiration genannt.

Bis zum Ende des 20. Jahrhunderts sind eine Reihe derartiger Bücher erschienen, um einige Beispiele zu nennen: Jacques Monod (Zufall und Notwendigkeit), alle Bücher von Rupert Riedl, Karl Popper (The Self and It's Brain), Richard Dawkins, James Lovelock (Gaia), Stuart Kauffman (At home in the universe), Douglas Hofstatter (Gödl, Escher, Bach), Roger Penrose (Shadow of the Mind), und viele mehr.

Ich fürchte, wir haben diese Kunst herausragende Wissenschafter dazu zu bringen, Risiken einzugehen und Bücher zu schreiben, die eine Intellektuelle Breite über Kunst, Kultur und Philosophie ergreifen und sachlich weit über ihr enges Fachgebiet hinausgehen, weitgehend verloren. Aber genau diese Bücher waren es, die die nächsten Generationen inspiriert und motiviert haben.

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Zum Abschluss...

Es freut mich, dass Sie sich die Zeit genommen haben, mein Blog zu lesen. Natürlich sind viele Dinge, die ich hier diskutiere aus einem subjektiven Blickwinkel geschrieben. Vielleicht teilen Sie einige Ansichten auch nicht: Es würde mich jedenfalls freuen, Kommentare zu lesen...

Noch ein Zitat zum Schluß:

"Ich verhielt mich so, als wartete ein Heer von Zwergen nur darauf, meine Einsicht in das Tagesproblem, zur Urteilsfindung von Gesellschaft und Politik zu übersetzen. Und nun stellt sich heraus: Dieses Heer gibt es nicht.

Ganz im Gegenteil erweist sich das kulturelle Getriebe als selbstimmunisierend gegen Kritik und Widerlegung. Es ist dem Lernen feind und wehrt sich in kollektiver Geschlossenheit gegen Umdeutung und Innovation.", Rupert Riedl, Evolution und Erkenntnis, Piper (1985)

:-)