Der bekannte Klimaforscher Michael Mann schreibt in einem Guardian Artikel: »Eine zweite Trump-Amtszeit wäre ‚Game Over‘ für das Klima«.
Das ist in gewisser Weise richtig und gleichzeitig bemerkenswert falsch. Wir wissen, dass Klima-Effekte mittelfristig bis langfristig auftreten. Das heißt alles, was wir aktuell erleben sind Effekte von mehr als 100 Jahren menschlicher Industrie (und wie manche Argumentieren, Jahrtausenden von großflächiger Veränderung unserer Welt, etwa durch landwirtschaftliche Aktivitäten, und Rodungen usw.). Die Treibhausgase, die wir jetzt in die Atmosphäre blasen, wirken folglich ebenso weit in die Zukunft. Anders gesagt: die Amtszeit eines US-Präsidenten dauert vier Jahre. Die Idee, dass vier Jahre den Unterschied zwischen einem lebenswerten und katastrophalem Klimawandel machen ist unter den genannten Rahmenbedingungen bemerkenswert irreführend.
Was wir uns nicht eingestehen wollen – und derartige Artikel tragen zu weiterer Vernebelung bei: Es gibt wohl keine realistische Chance mehr, die Klima-Katastrophe zu verhindern. So weit ist der Artikel also fundamental falsch. Und mit ihm auch die große Zahl der wohlmeinenden aber bevormundenden Aussagen und Artikel vieler Klimaschützer, die immer noch so tun, als könnten wir die Katastrophe vermeiden. Der Zug ist, nach allem was wir wissen, abgefahren, und hinter vorgehaltener Hand sagen das die Klimaforscher auch. Bevormundend ist es, mit der Bevölkerung nicht ehrlich zu kommunizieren. Und diese Bevormundung wird als unwahre Kommunikation durchaus wahrgenommen, mit allen negativen Folgen:
Es passt schlicht nicht zusammen auf der einen Seite zu behaupten, die massiven Brände in Australien und Kalifornien, sowie Tropenstürme, Überschwemmungen in Asien usw. wären Folgen des Klimawandels und andererseits zu behaupten, wenn wir nur entsprechende Maßnahmen setzen, können wir dies noch verhindern.
Richtig ist vermutlich, dass wir noch gewisse Handlungsspielräume haben, um die Folgen dieser Katastrophe in Grenzen zu halten. Das bedeutet einerseits alle Maßnahmen, die zu einer radikalen Treibhausgasreduktion führen (ohne ideologische Verwirrungen, wie etwa der europäischen anti-Kernkraft Bewegung auf der einen und E-Auto Propaganda auf der anderen); aber ebenso wichtig: alle Maßnahmen, die die Resilienz der Gesellschaft stärken: Maßnahmen gegen Überschwemmungen, robustere Sozialsysteme, mehr Lokalität als Globalität in Politik und Wirtschaft, um nur weniges zu nennen. Und natürlich eine Erforschung aller möglicher technischer Maßnahmen (»Geoengineering«), die notwendig werden könnten um das schlimmste zu verhindern.
Gleichzeitig müssen wir uns aber auch über die mittelfristigen politischen Konsequenzen Gedanken machen: Die Grünen (als Bewegung und Partei) sind gewissermaßen am Ende eines Weges angelangt. Die Wohlfühl-Politik der letzten Jahrzehnte – wir können eh irgendwie so weiterleben wie bisher, ohne jeden Verzicht, müssen halt nur ein E-Auto kaufen und ein paar Windräder bauen – wird bald entlarvt sein: der König (und die Königin) haben keine Kleider. Damit sitzen die Grünen zwischen den Sesseln: aggressivere und realistische Politik – die Wahrheit sagen – trauen sie sich nicht; moderate Bobo-Bürgerlichkeit hat eine sehr begrenzte Wählerschaft, und die prinzipiell wichtigen Ideen einer höheren Solidarität in der Gesellschaft schaffen sie nicht glaubwürdig zu vertreten. Dafür gibt es zu viele verwirrte und schrille Stimmen und am »woken« linken Rand der grünen Parteien und Bewegungen.
Dazu kommt ein sehr fundamentales Problem: selbst wenn wir mit aggressiveren und realistischeren grünen Konzepten kurzfristig Wahlen gewinnen würden, würden die Grünen das mittelfristig nicht überleben. Damit sind wir wieder am Anfang des Artikels angelangt: aufgrund der Trägheit der Systeme (und der Tatsache, dass die Musik im wesentlichen in Asien, Afrika und zum Teil den USA spielt) wird jede durchwegs sinnvolle Maßnahme den Klimawandel einerseits nicht verhindern, sondern (im besten Fall) die Katastrophe begrenzen und andererseits weit in die Zukunft wirken.
Heutige absolut sinnvolle Maßnahmen würden uns und unseren Kindern fast nichts bringen, dafür für späteren Generationen überlebenswichtig sein. Beides funktioniert in aktuellen Demokratien nachweislich nicht.
Die Gewinner dieser Situation werden gleichzeitig die Totengräber unserer modernen Gesellschaft sein, die Brand-Beschleuniger des Untergangs. Der Blick wird getrieben sein von kurzfristigen (massiven) Problemen wie großer Arbeitslosigkeit und steigender Armut, von der Klimakrise getriebene Flüchtlingsströme usw. Rechts-populistische und -radikale Parteien aber auch links-extreme werden in vielen Ländern den Ton angeben. Mit widersprüchlichen, inkompatiblen und weitgehend unsinnigen Ideen, aber Ideen, die die Anmutung haben, die dann aktuellen Probleme zu lösen. Langfristige Projekte sind in einer solchen Situation chancenlos.
Diese Phänomene sehen wir bereits jetzt in aller Deutlichkeit in der Corona-Krise und der Herbst/Winter wird die Situation nochmals dramatisch verschärfen. Die Politik will das (noch) nicht eingestehen, aber es steht uns einiges bevor. Und alle Maßnahmen richten sich auf das Jetzt, das Morgen, sicher nicht auf das Übermorgen. Im Gegenteil.
Diese Spaltung der Gesellschaft wird zu Gewalt führen und zu einem Lokalismus der negativen Art auslösen, also nicht einem der versucht Resilienz durch lokale Entscheidungen aber mit Blick auf die ganze Welt zu finden, sondern einem der in maximalem Egoismus gegen alle anderen gerichtet sein wird.
Wie kann dieser Teufelskreis durchbrochen werden?