Donnerstag, 13. August 2009

140 Zeichen, oder die Macht der Beschränkung

Kürzlich wurde in Technometria unter anderem über Twitter und mögliche Nachfolger diskutiert. Unter anderem war die 140 Zeichen Beschränkung ein Thema. Die Ansicht (jedenfalls eines Teilnehmers der Diskussion) war, dass diese Beschränkung natürlich bei Nachfolgern fallen wird, und durch nichts wirklich begründet ist.

Ich stimme zu, dass eine Beschränkung von 140 Zeichen einigermassen willkürlich ist. Auch die Tatsache, dass wir URLs mit URL-Verkürzern wie tr.im zusammenpacken erscheint eigenartig, v.a. darum, weil es eine technische Beschränkung des Twitter Systems ist, das dem Benutzer überantwortet wird. Aber genau das ist eigentlich interessant: Es gab andere Systeme die im wesentlichen für den Austausch von URLs usw. gemacht wurden, und dennoch ist Twitter eine der populärsten sozialen Anwendungen im Netz. Vielleicht gerade wegen dieses geradezu unverschämt trivialen Interfaces? Vielleicht werden zukünftige "Twitter-artige" Systeme über Content-Types verfügen, d.h. der Benutzer kann URLs, Bilder, Videos... verschicken ohne sich selbst um technische Details kümmern zu müssen?

Aber das ist nicht das Thema meines heutigen Postings. Der eigentlich interessante Punkt ist für mich ein anderer: Die Macht der Beschränkung.

Ich bin mir nicht sicher, ob eine Öffnung einer Längenbeschränkung eine gute Idee wäre. Es ist ja nicht so, dass ich keine Möglichkeiten hätte längere Texte zu schreiben. Wenn ich das möchte (so wie ich es hier gerade mache) dann schreibe ich ein Blog-Posting, oder erstelle eine Webseite. Wenn ich Bilder veröffentlichen möchte verwende ich meine Webseite oder Flickr oder ähnliches. Die Beschränkung auf x Zeichen führt aber durch den Zwang seinen Gedanken auf das allerwesentlichste zu verkürzen, und dadurch nur ganz prägnante Aussagen zu erlauben, zu einer ganz anderen Art der Kommunikation.

Daher wird ein Medium dass 140 Zeichen erlaubt andere Inhalte transportieren und eine andere Art der Kommunikation erlauben als ein Medium mit 250, 500 oder unbegrenzter Länge. Gerade die erzwungenen Begrenzung ist für beide Seiten der Kommunikation—für den Schreiber so wie für den Leser—eine soziale Abmachung: Der Schreiber verpflichtet sich in maximaler Dichte zu sagen, was er zu sagen hat, der Leser weiß, dass er nicht mit langen Inhalten konfrontiert/belästigt wird, wenn er an diesen gerade kein Interesse hat. Dieses Versprechen löst ein System mit Beschränkung ein. Hat der Leser an einer konkreten Idee weiteres Interesse kann er den oft beigefügten Links folgen.

Denkt man das weiter, wäre es vielleicht sogar eine interessante Idee die Beschränkungen noch weiterzutreiben. Beispielsweise durch eine maximale Anzahl von Tweets pro Tag. Ich denke hier etwa an 5-10. Ich persönlich überlege es mir immer sehr genau einem neuen Account zu folgen, und sehe mir vorher an, wie häufig der oder diejenige täglich postet, weil ich einerseits gerne eine Vielfalt an Meinungen und Ideen bekomme andererseits aber nicht von einer Person geflutet werden möchte.

Ich halte es für eine prinzipiell interessante Idee für verschiedene Arten der Kommunikation verschiedene Kanäle zu gestalten. Ein beschränkter Kanal ist eine Variante die in ihrer Beschränkung viel Potential hat, unbeschränkte Kanäle sind eine andere mit anderen Möglichkeiten. Daher finde ich es auch nicht sonderlich gut, wenn bspw. RSS Feeds in Twitter umgeleitet werden. Das sind zwei verschiedene Dinge, die nicht vermischt werden sollten.

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Zum Abschluss...

Es freut mich, dass Sie sich die Zeit genommen haben, mein Blog zu lesen. Natürlich sind viele Dinge, die ich hier diskutiere aus einem subjektiven Blickwinkel geschrieben. Vielleicht teilen Sie einige Ansichten auch nicht: Es würde mich jedenfalls freuen, Kommentare zu lesen...

Noch ein Zitat zum Schluß:

"Ich verhielt mich so, als wartete ein Heer von Zwergen nur darauf, meine Einsicht in das Tagesproblem, zur Urteilsfindung von Gesellschaft und Politik zu übersetzen. Und nun stellt sich heraus: Dieses Heer gibt es nicht.

Ganz im Gegenteil erweist sich das kulturelle Getriebe als selbstimmunisierend gegen Kritik und Widerlegung. Es ist dem Lernen feind und wehrt sich in kollektiver Geschlossenheit gegen Umdeutung und Innovation.", Rupert Riedl, Evolution und Erkenntnis, Piper (1985)

:-)