Es geht in manchen Diskussionen das "Schreckgespenst" um, dass wir (etwas übertrieben formuliert) noch in der Steinzeit leben würden, hätte es Kant, Aristoteles, Leonardo, Einstein, ... nicht gegeben. Manchmal liest oder hört man Formulierungen der Art "... ohne Kant gäbe es keine moderne Erkenntnistheorie..." usw.
Nun kann es sich dabei um eine Bequemlichkeit der Formulierung handeln; korrekter könnte man wohl sagen: "Wir verdanken Kant wesentliche Aspekte der modernen Erkenntnistheorie". Oder vielleicht, und jetzt komme ich zurück zum Titel dieses Blog-Eintrages, habe wir es eher mit dem "Leuchtturm-Phänomen" zu tun und derartige Formulierungen drücken tatsächlich aus, was manche Publizisten für richtig halten:
Nun kann es sich dabei um eine Bequemlichkeit der Formulierung handeln; korrekter könnte man wohl sagen: "Wir verdanken Kant wesentliche Aspekte der modernen Erkenntnistheorie". Oder vielleicht, und jetzt komme ich zurück zum Titel dieses Blog-Eintrages, habe wir es eher mit dem "Leuchtturm-Phänomen" zu tun und derartige Formulierungen drücken tatsächlich aus, was manche Publizisten für richtig halten:
Es scheint so zu sein, als bräuchten wir als Menschen Identifikationsfiguren, denen wir dann verschiedene gute oder schlechte Aspekte der Menschlichen Kultur- und Wissenschaftsgeschichte umhängen können. Nicht nur das, es scheint weiters zu durchaus durchsichtigen selbstverstärkenden Phänomenen zu kommen. Um bei Kant zu bleiben: Hat ein "Kant Fan" hunderte Studenten unterrichtet und entsprechend viele Publikationen erstellt so ist natürlich die Wahrscheinlichkeit dass sich dies überproportional fortpflanzt hoch. Dies kommt auch dem bekannten menschlichen Hang zur Simplifizierung zu Gute. Plötzlich hat Einstein die gesamte moderne Physik begründet und Kant ist der wichtigste Philosoph aller Zeiten (gut da streiten sich vielleicht noch manche klassische Philologen, und mögen Aristoteles einreklamieren). Davon abgesehen ist es natürlich auch deutlich bequemer sich nur mehr mit einer handvoll an "Lichtgestalten" auseinandersetzen zu müssen; an Stelle einer gründlichen Betrachtung einer breiteren Anzahl an Einflüssen.
Ich denke, dass es einerseits verständlich ist, dass wir Ideen, Geschichte gerne an Personen festmachen, andererseits verwischt die eindimensionale Betrachtung vielleicht doch ein wenig das tiefere Verständnis um die tatsächlichen Gegebenheiten. Ich möchte nicht falsch verstanden werden: Kant und Einstein sind auch aus meiner Sicht zweifellos sehr wesentliche Gestalten der Wissenschaftsgeschichte, aber ich fände es spannend anstelle der 100ten Lobhymne auf Einstein und Kant mal ein klareres Bild zu bekommen was bspw. Kant tatsächlich originär Neues beschrieben hat, was nicht vorher bspw. von Hume schon gesagt wurde.
Ich denke auch, dass es ein gedanklicher Fehler ist, Geschichte zu stark an einzelnen Personen oder Gegebenheiten aufzuhängen: Ich bin bspw. absolut davon überzeugt, dass es auch ohne Kant eine moderne Philosphie gäbe und ohne Einstein eine moderne Physik. Warum? So wenig konkret das klingen mag, aber ich denke dass die Zeit reif war für neue philosophische Ideen und neue physikalische Konzepte, schliesslich gab es nicht nur Einstein, sondern auch Plank, Bohr, Heisenberg, Pauli usw.
Betrachten wir etwa die spezielle Relativitätstheorie Einsteins. Eine enorme Leistung und dennoch: sie lag in der Luft. Sie war eine klare Konsequenz der Erkenntnisse der Zeit. Man denke an die Experimente von Michelson und Morley, dann Hendrik Lorenz sowie weiters Henri Poincaré. Poincaré hat 1904 den wichtigen Schluss gezogen, dass es vermutlich unmöglich ist eine absolute Bewegung in einem Experiment festzustellen. Er nannte das "das Prinzip der Relativität". Er erkannte weiter, dass man eine neue Theorie benötigt, die von der konstanz der Lichtgeschwindigkeit ausgeht. Einstein war dann derjenige der den letzten wichtigen Schritt gemacht hat, und die neue Theorie auch formalisiert hat. Diese Leistung darf keinesfalls unterschätzt werden. Und dennoch: hätte es Einstein nicht gegeben, hätte mit größter Wahrscheinlichkeit eine der anderen Koryphäen der Zeit diesen Schritt gesetzt.
Betrachten wir etwa die spezielle Relativitätstheorie Einsteins. Eine enorme Leistung und dennoch: sie lag in der Luft. Sie war eine klare Konsequenz der Erkenntnisse der Zeit. Man denke an die Experimente von Michelson und Morley, dann Hendrik Lorenz sowie weiters Henri Poincaré. Poincaré hat 1904 den wichtigen Schluss gezogen, dass es vermutlich unmöglich ist eine absolute Bewegung in einem Experiment festzustellen. Er nannte das "das Prinzip der Relativität". Er erkannte weiter, dass man eine neue Theorie benötigt, die von der konstanz der Lichtgeschwindigkeit ausgeht. Einstein war dann derjenige der den letzten wichtigen Schritt gemacht hat, und die neue Theorie auch formalisiert hat. Diese Leistung darf keinesfalls unterschätzt werden. Und dennoch: hätte es Einstein nicht gegeben, hätte mit größter Wahrscheinlichkeit eine der anderen Koryphäen der Zeit diesen Schritt gesetzt.
Vielleicht wäre es also auch einmal ein lohnendes Unterfangen zu versuchen den "Zeitgeist" genauer zu untersuchen, der in letzter Konsequenz natürlich in einzelnen Personen zu bestimmten Bahnbrechenden Ideen geführt hat.
4 Kommentare:
Egal, welchen Eintrag ich mir anschaue: immer treffe ich auf treffende Bemerkungen und Kritik am geistigen Trott (nicht nur:) der Masse.
Wieder mal kam ich zu diesem Blog-Eintrag. Mir scheint, als werde hier letzendlich die Frage angesprochen, ob es die großen Individuen sind, die Entwicklung vorantreiben ("Männer machen die Geschichte" oder "Atlas shrugged") oder ob sich der Zeitgeist gewissermaßen die Träger der Fortschritts-Meme aussucht, ob die "Großen" quasi ihre Rolle von der Gesellschaft zugewiesen bekommen.
Um den "Mem-Speak" zu korrigieren ;-) Man müsste dann wohl sagen, "die Meme suchen sich die Wissenschafter die sie ausbrüten" oder so ähnlich...
Ich denke dass Ihr Kommentar die Kernfrage genau zusammengefasst hat.
Einstein, Kant, Kopernikus waren mit Sicherheit herausragende Persönlichkeiten, und deren Leistungen sollen nicht geschmälert werden, dennoch: glauben wir ernsthaft, ohne Kopernikus, und Einstein würden wir heute noch in der Höhle sitzen und Steine aufeinanderschlagen? (Etwas Bildhaft ausgedrückt). Das scheint mir doch recht unrealistisch zu sein.
Insofern bin ich einerseits von der persönlichen Leistung dieser Wissenschafter beeindruckt, gleichzeitig glaube ich aber nicht dass es ohne sie diese Fortschritte nicht gegeben hätte.
Ich lese gerade Robert K. Mertons bekannten Artikel "The Matthew Effect in Science", sehr empfehlenswert. Das passt aber auch gleich gut zum Thema.
Ein wichtiger Gedanke in seinem Artikel ist, dass bekannte Persönlichkeiten häufig überproportional viel Anerkennung und Beachtung finden:
"They repeatedly observe that eminent scientists get disproportionately great credit for their contributions to science, while relatively unknown scientists tend to get disproportionately little credit for comparable contributions."Mit anderen Worten, ich denke es ist durchaus fair zu sagen, dass eine Vielzahl von Personen (bewußt nicht Wissenschafter) die Basis für bestimmte Entdeckungen aufbereiten, dass dann aber relativ wenige den "Ruhm abstauben". Aber nochmal: das bedeutet nicht, dass diejenigen deren Namen in die Geschichte eingehen unwichtig oder gar unbedeutend wären. Dennoch: "the winner takes it all..."
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