Dienstag, 19. Februar 2008

Giesskannen und Sumpfpflanzen

Ich denke, ich bin einigermassen unverdächtig was meine grundsätzliche Einstellung zur Wissenschaft betrifft. Ich bin der Ansicht, dass die Menschheit, die Welt vor dramatischen Problemen steht, vermutlich wesentlich dramatischer als sich die meisten zur Zeit vorstellen können. Eine der wenigen Möglichkeiten, die uns vermutlich bleibt ist massive Investition in Wissenschaft, Wissen, Bildung. Also kaum ein Zweifel von meiner Seite dass jeder Euro, Dollar etc. der in diesen Bereichen investiert ist, eine gute Investition darstellt.

Aber in welchen Bereichen soll nun genau investiert werden?!

Wie ich schon in einem der letzten Postings geschrieben habe: Geld und Resourcen lassen sich nicht beliebig vermehren. Sicher, heute wird eine Menge Geld verschwendet (z.B. für militärische Ausgaben), die man natürlich besser in Forschung und Bildung stecken sollte (ohne militärischen Hintergrund). Aber dann bleibt immer noch die Frage, wie man das Kapital am effizientesten einsetzen sollte.

Auf der einen Seite scheint Steuerung in der Wissenschaft (und ganz besonders in der Finanzierung) nur sehr bedingt zu funktionieren; nur weil Millionen in eine bestimmte Forschungsrichtung investiert werden, bedeutet das noch lange nicht dass (1) diese Forschungsrichtung wirklich wesentlich ist (vielleicht war die wissenschaftliche Lobby einfach die lauteste) und (2) dass auch entsprechende Ergebnisse zu verzeichnen sind. Aus dem Gefühl heraus würde ich persönlich dafür plädieren, die Mittel durchaus breit zu streuen. Also vielleicht gewisse Schwerpunkte setzen, z.B. erneuerbare Energien, nachhaltige Technologien, aber eine substantielle Menge an Kapital für eine breite Basis an verschiedenen Disziplinen, und das schließt ganz besonders auch die Geisteswissenschaften ein. Im Endeffekt weiß man nie genau, welcher Acker die größten Erdäpfel liefert, besser man hat nicht alles auf eine Karte gesetzt.

Es wird ja gerne (in jeder zweiten politischen Sonntagsrede wird das ausgebreitet) gegen sogenannte "Gießkannenförderung" polemisiert. Warum eigentlich? Noch dazu mit einem so dummen Vergleich? Wie würde ein Garten aussehen, wenn wir keine Gießkanne verwenden, sondern unsere Lieblingsblumen mit allem verfügbaren Wasser beglückten? 90 % des Gartens wären eine Wüste und 10% ein Sumpf. Ist das der Garten, den wir uns vorstellen? Was genau spricht eigentlich gegen die Gießkanne?

Dazu kommt, und das ist, meine ich, ein ebenso wichtiger Gedanke: manche Forschungsrichtungen verschlingen geradezu Unsummen an Kapital. Man denke an Large-Hadron-Collider, Weltraumprogramme usw. Übrigens findet sich gerade ein sehr schöner Artikel zum Thema im "Zeit Weblog": Grundlagenforschung, ein teurer Spaß?

Ich möchte nun wirklich nicht gegen diese beiden (nur beispielhaft erwähnten Bereiche) wettern. Ich glaube aber schon, dass eine Diskussion angemessen ist. So sehr es auch für mich spannend ist zu beobachten, ob nun bestimmte Elementarteilchen gefunden werden oder nicht, ob die kosmologischen Theorien richtig sind oder nicht: die eingesetzten Summen sind enorm und fordern eine fundamentale Diskussion!

Da fällt es mir wirklich schwer gute Argumente für die Bedeutung der Forschung in bestimmten Bereichen der Teilchenphysik zu finden, wenn auf der anderen Seite gerade unser Planet zugrunde geht. Das hört sich vielleicht etwas melodramatisch an, aber ich denke, es muß erlaubt sein, diese Frage klar und deutlich zu stellen. Wenn wir schon Schwerpunkte setzen, warum dann nicht in den wirklich vitalen Fragen der Menschheit?

Andererseits bin ich mir schon im klaren darüber, dass ich mir in gewisser Weise selbst widerspreche: vielleicht ergeben sich aus diesen sehr teuren Grundlagenforschungen genau die neuen Ideen, die wir für die Lösung einiger unserer Probleme so dringend benötigen. Dennoch: der Kapitaleinsatz ist schon massiv verglichen mit den Mitteln die Forschung zu bspw. erneuerbaren Energien oder Biologen die sich mit Biodiversität beschäftigen zur Verfügung stehen.

Oder anders gesagt: die wichtigen Innovationen in der Geschichte der Wissenschaft sind keineswegs immer oder auch nur meistens dort entstanden, wo der Staat am meisten investiert hat; und es rechtfertig nicht, das Austrocken ganzer Wissenschaftslandstriche! Das torpediert vermutlich mehr Innovation als massive Schwerpunktforschung zu schaffen hofft.

Sind nun die wissenschaftlichen Großprojekte unserer Zeit den Problemen denen wir konfrontiert sind angemessen? Ich weiß es nicht.

Keine Kommentare:

Zum Abschluss...

Es freut mich, dass Sie sich die Zeit genommen haben, mein Blog zu lesen. Natürlich sind viele Dinge, die ich hier diskutiere aus einem subjektiven Blickwinkel geschrieben. Vielleicht teilen Sie einige Ansichten auch nicht: Es würde mich jedenfalls freuen, Kommentare zu lesen...

Noch ein Zitat zum Schluß:

"Ich verhielt mich so, als wartete ein Heer von Zwergen nur darauf, meine Einsicht in das Tagesproblem, zur Urteilsfindung von Gesellschaft und Politik zu übersetzen. Und nun stellt sich heraus: Dieses Heer gibt es nicht.

Ganz im Gegenteil erweist sich das kulturelle Getriebe als selbstimmunisierend gegen Kritik und Widerlegung. Es ist dem Lernen feind und wehrt sich in kollektiver Geschlossenheit gegen Umdeutung und Innovation.", Rupert Riedl, Evolution und Erkenntnis, Piper (1985)

:-)