In der Bekämpfung der Corona-Krise wird immer wieder auf die Notwendigkeit von Tests hingewiesen um die Seuche einzudämmen. Das ist wahrscheinlich eine richtige Strategie. Allerdings scheint die Kommunikation, wie die Ergebnisse von Tests zu interpretieren sind, nicht angemessen abzulaufen.
Wir kennen ähnliche Fälle, etwa die Ergebnisse von Brustkrebs-Screenings, wo selbst vielen Ärzten nicht klar ist, wie ein positives Ergebnis zu interpretieren und dem Patienten zu vermitteln ist.
Das Problem liegt im Kern daran, dass Tests eine gewisse Genauigkeit haben, oder anders gesagt, mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit falsche Ergebnisse liefern. Dabei gibt es grundsätzlich zwei Arten von Fehlern:
- False Positives: das heißt, der Test liefert ein positives Ergebnis, z.B. Covid-Infektion erkannt, oder Brustkrebs-Verdacht, tatsächlich liegt aber keine Infektion (oder Krebs) vor
- False Negatives: der Test liefert ein negatives Ergebnis, z.B. keine Covid-Infektion oder Brustkrebs entdeckt, tatsächlich liegt aber eine Infektion (oder Krebs) vor
Beide Fehler sind problematisch. Der zweite Fall ist offensichtlich: jemand ist erkrankt, aber der Test erkennt dies nicht. Der erste Fall ist aber unter Umständen ebenfalls sehr schwerwiegend: ein falsch-positives Ergebnis führt zu erheblicher psychischer Belastung des Patienten, zu überflüssigen Behandlungen (die ihrerseits Nebenwirkungen haben) sowie auch zu falschen politischen Handlungen.
Besonders problematisch ist es, dass die Zahl der falsch positiven in aller Regel völlig unterschätzt und den Patienten falsch kommuniziert wird. Dies hängt damit zusammen, dass in einer Gruppe von Getesteten in aller Regel nur sehr wenige tatsächlich erkrankt sind, die Fehler auf der falsch-positiv-Seite häufen sich daher.
Dieser Zusammenhang lässt sich sehr einfach in Form eines Schaubildes darstellen:
Die konkrete Rechnung legt nahe, dass bei Covid-19 Tests die Mehrzahl der Ergebnisse falsch positiv sind. Ähnliches wissen wir aus Brustkrebs-Screenings (siehe Gerd Gigerenzer, Risiko).
Diese Information ist für Betroffene von größter Bedeutung. Im Falle bestimmter Krebs-Screenings gibt es eine ernstzunehmende Diskussion ob diese Test aufgrund der großen Nebenwirkungen und gleichzeitig geringen Nutzens überhaupt sinnvoll sind.
Zu beachten sind die beiden Fußnoten des Schaubildes! Der Wert ist abhängig von der Auswahl der Gruppe: ist die Gruppe die getestet wird mit einer größeren Wahrscheinlichkeit infiziert – etwa weil nur Personen mit Symptomen getestet werden, so sind die false positives geringer; werden aber Gruppen getestet wo die Wahrscheinlichkeit der Erkrankung geringer ist (Flughafen, Büros, ...) dann könnten sie noch höher sein.
Bei Covid-19 wird dieses Thema meiner Wahrnehmung nach derzeit überhaupt nicht diskutiert, und das, obwohl die Zahlen nahelegen, dass wir es mit ziemlich hohen falsch-positiven Ergebnissen zu tun haben.
Das bedeutet nicht, dass Covid-Tests keinen Sinn machen. Es kann sehr wohl nützlich sein Menschen zu testen und positiv-gestetete in Quarantäne zu stecken um eine Ausbreitung zu verhindern. Im Sinne der psychischen und medizinischen Folgen sollte aber sehr klar kommuniziert werden, dass vermutlich die meisten, die ein positives Ergebnis erhalten nicht infiziert sind.
Ergänzung 29.06.2020
Ein
Artikel in der Zeit beschreibt Antikörper-Tests, die wesentlich genauer arbeiten, aber auch einen nicht unerhebliche Zahl an
false positives liefern. Der Artikel beschreibt auch andere Vor- und Nachteile verschiedener Tests.
Fazit: Die Test-Thematik ist alles andere als einfach, Tests verhalten sich unterschiedlich und false positives sind je nach Art des Tests wohl ein mittleres bis extremes Problem. Diese Zusammenhänge werden aus meiner Sicht in der Öffentlichkeit zu wenig thematisiert und auch die daraus folgende erhebliche Unsicherheit bei vergleichenden Statistiken verschiedener Länder bleibt offen.