Im aktuellen Science Friday wird eine neue Studie vorgestellt, in der personalisierte Medizin thematisiert wird. Konkret geht es um folgende Frage: Stand der Wissenschaft in der Bewertung der Wirksamkeit von Medikamente sind Doppelblindstudien. Diese werden an Gruppen von Patienten durchgeführt, wobei eine Gruppe ein Placebo oder vergleichbares (älteres) Medikament erhält, eine andere Gruppe den vermeintlich besseren, neuen Wirkstoff. Um die Studie nicht durch andere Faktoren zu verfälschen, dürfen weder Arzt noch Patienten wissen wer welcher Gruppe zugeteilt ist. Ist das neue Medikament entscheidend besser als das alte wird es zumeist zugelassen und kann von Ärzten verschrieben werden.
Es wird allerdings immer klarer, dass es bei verschiedenen Klassen von Wirkstoffen durchaus nennenswerte Unterschiede gibt, wie ein Medikament anschlägt; und zwar abhängig von der genetischen Grundausstattung des jeweiligen Patienten. Dies kann "einfache" genetische Faktoren wie das Geschlecht betreffen, aber auch komplexere nicht so offensichtliche Faktoren.
Es wird allerdings immer klarer, dass es bei verschiedenen Klassen von Wirkstoffen durchaus nennenswerte Unterschiede gibt, wie ein Medikament anschlägt; und zwar abhängig von der genetischen Grundausstattung des jeweiligen Patienten. Dies kann "einfache" genetische Faktoren wie das Geschlecht betreffen, aber auch komplexere nicht so offensichtliche Faktoren.
Nehmen wir an (und scheint immer deutlicher zu werden, dass dies bald der Realität entspricht) es gäbe eine Möglichkeit festzustellen, wie ein bestimmtes Medikament bei einem bestimmten Patienten wirkt. Nehmen wir weiters an (auch dies scheint bereits greifbar zu sein), es handelt sich um ein Medikament, dass eine schwere Krankheit behandelt. Bei einer bestimmten genetischen Gegebenheit ermöglicht dies dem Patienten etwa 2-3 Jahre an weiterer Lebenszeit. In anderen Fällen vielleicht nur 2-3 Monate. Gleichzeitig ist das Medikament äußerst kostspielig und kostet, sagen wir, 100.000 €.
Wer hat nun Anspruch dieses Medikament zu bekommen?
Ist es unethisch zu fragen, wieviel Geld ein Lebensjahr wert ist? Eine solche Frage stößt mit Sicherheit bei den meisten Menschen zumindest auf großes Befremden, wenn nicht starke Ablehnung. Aber drehen wir das Problem einmal um: wenn wir nicht bereit sind diese Frage zu stellen, kommen wir in logischer Konsequenz zu der heute durchaus verbreiteten Ansicht, Geld darf bei Gesundheit keine große Rolle spielen. Wirklich nicht?
Im Prinzip ist dies nur ein Spezialfall einer Diskussion die wir schon heute sehr gründlich führen müssten. Stellen wir uns einen einfacheren Fall vor: es gibt eine Behandlung die 100 Million Euro kostet und einem 90 jährigen Patienten etwa ein weiteres Lebensjahr schenken würde. Würden wir das vertreten? Wenn wir nicht bereit sind die obige Frage zu stellen, muss die Antwort lauten "Ja, selbstverständlich". Denn Leben darf nicht am Geld hängen! In der Praxis wäre das Geld natürlich nicht vorhanden um allen Patienten derartig kostspielige Behandlungen zu ermöglichen. Damit wird die Frage implizit gestellt, selbst wenn wir sie nicht explizit diskutieren wollen. Vermutlich wäre sogar der öffentliche Aufschrei groß, würde eine solche Behandlung gängige Praxis werden. Die Menschen würden sehr schnell feststellen, dass sich die Gesellschaft derartige Ausgaben einfach nicht leisten kann. Gut, aber welche Summe ist nun gerechtfertigt in einem solchen Fall. 1 Million Euro? 100.000? 1.000? Bei einem jungen Menschen mehr als bei einem älteren? Bei einer Mutter mit drei Kindern mehr als bei einem alleinstehenden Mann?
Geld ist eine begrenzte Resource. Oft besteht der Konflikt zwischen der sehr teuren Behandlung eines einzelnen Patienten und der günstigeren Behandlung vieler Patienten. Philosophisch betrachtet die Abwägung zwischen einer streng individualistischen (maximales Wohl für den Einzelnen) gegenüber einer utilitaristischen Betrachtung (maximales Wohl für die größte Zahl an Menschen). Dennoch muss uns klar sein: wir beantworten diese Fragen entweder bewußt oder zwischen den Zeilen, z.B. durch Budget-Restriktionen von Spitälern.
Letztlich haben wir selbst in Europa heute schon längst eine Form der zwei-Klassen Medizin. Das Gesundheitssystem ist schon heute nicht mehr in der Lage die "besten" und teuersten Behandlungen allen Patienten gleichermassen zur Verfügung zu stellen. Gehen wir davon aus, dass Medizin, Wissenschaft und Technologie im allgemeinen auch in den nächsten Jahren vergleichbare Fortschritte machen wie in den letzten Jahrzehnten, so wird sich dieses Problem nochmals drastisch verschärfen.
Das eingangs erwähnte Beispiel der personalisierten Medizin ist nur ein sehr deutliches und transparentes Beispiel wo der Zug hinfährt. Es ist höchst an der Zeit diese Diskussion mit offenen Karten zu führen und nicht der Bevölkerung vorzumachen, es wären unbegrenzte Ressourcen für jedermann vorhanden. Zur Zeit stecken wir den Kopf in den Sand – gleichzeitig werden die finanziellen Mittel bezogen auf immer teurere Behandlungsmöglichkeiten immer knapper. Ärzte und Krankenhausmanagement sehen sich vor dem konkreten Problem im Einzelfall entscheiden zu müssen, wie diese Mittel einzusetzen sind. Dies aber ohne klare gesetzliche und von der Gesellschaft definierte Rahmenbedingungen.
Ich denke, es bedarf keiner großen Phantasie, dass dies kein wünschenswerter Zustand ist.