Montag, 24. November 2008

Coctails am Strand...

Im BBC Podcast Thinking Allowed stellt der Moderator die interessante Frage, was Wirtschaftswissenschafter so in den letzten Jahren gemacht hätten. Denn in den vielen Gesprächen, mit verschiedensten Wirtschaftswissenschaftern hatte keiner die Wirtschaftskrise rechtzeitig vorhergesagt oder entsprechend stark auf die eigentlich offensichtlichen Probleme hingewiesen. Oftmals war zu hören, dass man sich auf sehr spezialisiert hätte und sich über das gesamte System vielleicht zu wenig Gedanken gemacht hatte.

Das ist aber nur ein Anzeichen für ein grundlegenderes Problem und vermutlich auch gar nicht ganz richtig:

Wir stehen nach allem was wir wissen bzw. beobachten können an der Kippe zu einer globalen Katastrophe. Genaugenommen ist es nicht eine, sondern eine ganze Reihe von substantiellen Problemen, die zur Katastrophe führe werden wenn wir nicht schnell handeln. Von diesen ist eine völlig verkehrte Wirtschaft nur ein Teil ist (wenn auch ein wesentlicher); andere sind Klimawandel, das Artensterben das ungebremst in hohem Tempo voranschreitet, Umweltverschmutzung, Bevölkerungsexplosion usw. Und dennoch: wir alle machen "business as usual". Und an dieser Stelle muss man besonders auch die Wissenschafter aufs Korn nehmen, denn gerade von Wissenschaftern würde man annehmen (da Denken ihr Job ist), dass sie in der Lage sind Dinge auch in größeren Zusammenhängen kritisch zu denken und zu analysieren. Gerade dies scheint aber nicht zu passieren.

Vielleicht gibt es diese Denker sehr wohl, aber sie bewegen sich abseits des Mainstreams. Der Mainstream ist in vielen Fällen eine mittlerweile sehr stark fragmentierte Wissenschaftslandschaft, wo man sich in einem sehr engen Bereich spezialisieren muss um "erfolgreich" zu sein, jedenfalls erfolgreich im Sinne von Masszahlen wie Citation Indizes. Arbeiten die versuchen in größeren Zusammenhängen zu denken sind oft leichter kritisierbar, weil derjenige ja zwangsläufig nicht über alle Details aller Sub-Disziplinen gut informiert sein kann. Nicht umsonst hat es so lange gedauert, bis sich die IPCC (um ein Beispiel zu nennen) zu dem oft zitierten vierten Klimabericht so deutlich zum Klimawandel geäußert hat, obwohl die meisten Klimatologen schon in den 80er Jahren zu ählichen Schlüssen gekommen sind.

Davon abgesehen gibt es immer noch Thesen die nicht zur Diskussion stehen (z.B. Wachstum als Basis unseres Wirtschaftssystems), als wie falsch sie sich auch erwiesen haben, bzw. wie viele negative Effekte sie auch zeigen können. Jeder der an einem solchen Dogma kratzt ist praktisch per definitionem ein Spinner und als solcher nicht ernst zu nehmen. Da bleiben wir lieber bei den Rezepten die wir kennen, auch wenn sie offensichtlich nicht funktionieren oder für eine Verbesserung der Situation nichts beitragen.

Das "business as usual" betrifft aber natürlich nicht nur den Wissenschaftsbetrieb. Wäre es nicht zum Weinen so würde dies eine Komödie abgeben: Rund um uns herum kollabieren Wirtschaft, die Biosphäre, Klima, Resourcenversorgung und jeder von uns sitzt vor seinem Computer und ist krampfhaft mit den vielen kleinen Problemen des beruflichen Alltags beschäftigt, danach fallen wir vor Erschöpfung vor den Fernseher und betäuben uns mit der nächstbesten Talkshow.

Und die Politik? Deutschland versucht die deutschen Banken, die deutschen Arbeitsplätze zu retten und die deutschen Autobauer; Frankreich die französischen Arbeitsplätze, die französischen Autohersteller und die französischen Banken, Österreich... Klimapolitik, ja, darüber hatten wir irgenwann einmal schon mal gesprochen, jetzt ist aber das Geld etwas knapp, da wird man sich gedulden müssen. Ob es eine gute Idee ist, in dieselben Strukturen zu investieren, die gerade kollabiert sind? Ob man vielleicht den Firmen wenigstens Umweltauflagen oder "Innovationen" vorschreiben könnte wenn man ihnen schon massive Finanzhilfen gewährt? Besser nicht nachdenken! Denn fürs Nachdenken fehlt vor lauter Krisenmanagement die Zeit. Lieber nochmal einen Gang hochschalten und extra hart aufs Gas steigen, selbst wenn es in die falsche Richtung geht.

Aber man soll die Hoffnung nicht verlieren. Vielleicht gehen die Chinesen in wenigen Jahren voran (unter der Last ihrer eigenen Probleme) und sind nicht so träge wie wir Europäer, oder vielleicht gelingt es einem Präsidenten Obama tatsächlich das Ruder herumzureissen?! Es wäre uns allen zu wünschen.

Im Moment sitzen wir im Liegestuhl am Strand und können das Problem nicht lösen welchen Coctail wir uns als nächstes bestellen wollen, während der Tsunami schon deutlich sichtbar heranrollt. Und die anderen am Strand? Sie machen dasselbe wie wir. Daher ist jeder für sich ja im Prinzip beruhigt, denn die anderen laufen nicht davon, sondern sind in aller gebotenen Ruhe mit ihren Dingen beschäftigt. Dann kann es ja nicht so schlimm sein. Der Strandwärter hat zwar schon vor einer halben Stunde, Alarm geschlagen, das aber haben wir nicht gehört weil die Diskomusik am Strand so laut ist.

Und was ist mit denjenigen die sich den Strand noch nicht leisten können? Sie rütteln an den Gittern des Luxushotels und können den Tsunami nicht sehen: ihre einzige Sorge ist es so schnell wie möglich einen noch größeren Coctail zu bekommen, was aus deren Sichtweise verständlich aber im Ganzen betrachtet deshalb nicht weniger absurd ist.

Zum Abschluss...

Es freut mich, dass Sie sich die Zeit genommen haben, mein Blog zu lesen. Natürlich sind viele Dinge, die ich hier diskutiere aus einem subjektiven Blickwinkel geschrieben. Vielleicht teilen Sie einige Ansichten auch nicht: Es würde mich jedenfalls freuen, Kommentare zu lesen...

Noch ein Zitat zum Schluß:

"Ich verhielt mich so, als wartete ein Heer von Zwergen nur darauf, meine Einsicht in das Tagesproblem, zur Urteilsfindung von Gesellschaft und Politik zu übersetzen. Und nun stellt sich heraus: Dieses Heer gibt es nicht.

Ganz im Gegenteil erweist sich das kulturelle Getriebe als selbstimmunisierend gegen Kritik und Widerlegung. Es ist dem Lernen feind und wehrt sich in kollektiver Geschlossenheit gegen Umdeutung und Innovation.", Rupert Riedl, Evolution und Erkenntnis, Piper (1985)

:-)