Sonntag, 15. September 2013

Freiheit und Unfreiheit

Willensfreiheit wurde in den letzten 10 Jahren in den Medien, im Feuilleton, bei Suhrkamp und Spektrum der Wissenschaft auf und ab diskutiert. Was bleibt nach dieser Diskussion? Ein äußerst schaler Nachgeschmack. Bei mir jedenfalls. Das allermeiste blieb oberflächlich oder ist schon in den ersten Sätzen, meist semantisch, untergegangen. Selbst vermeintlich hochkarätige Experten verlieren sich gerne in der Bedeutung der Worte, beziehungsweise wollen nicht erkennen, dass es keinen Sinn macht über Willensfreiheit zu diskutieren, wenn der Begriff "freier Wille" nachgerade beliebig ist, weil jeder der Diskutanten etwas anderes darunter versteht. Wenn dann noch dazu Experimente der Hirnforschung naiv interpretiert werden und andere von einem feststehenden Ergebnis ("es gibt freien Willen" – alles andere wäre ungehörig und unvorstellbar, so haben wir es schon im Kindergarten  oder in der Kirche gelernt) auf die Prämisse schließen, so ist kaum relevante Erkenntnis zu erwarten. 

Bemerkenswert erscheint, dass Schopenhauer bereits vor rund 200 Jahren den Kern des Problems  wohl besser verstanden hat, als die allermeisten heutigen Wortspender. Vielen Dank an Matthias Eckoldt (aktuelle SWR2 Aula – Transkript):
"Ich bin frei, wenn ich tun kann, was ich will. Wenn ich will, kann ich mein Geld den Armen geben, sagte der philosophische Experte des Willens, Arthur Schopenhauer. Natürlich kann man so etwas tun, wenn man es will, aber eben nur, wenn man es will. Schopenhauer weiter: „Aber ich vermag nicht es zu wollen. Hingegen wenn ich einen anderen Charakter hätte, dann würde ich es wollen können: Dann würde ich auch nicht umhin können, es zu wollen, würde es also tun müssen.“ […] In seinem Gedankenexperiment sieht man schön die zwei Dimensionen des Problem der Freiheit. Einerseits gibt es da die Handlungsfreiheit – man könnte machen, was man will – und andererseits die Willensfreiheit – man kann nur machen, was man will. So ist uns Menschen zwar eine äußere Freiheit als Möglichkeitsraum von Handlungen gegeben, wir verfügen aber nicht über die innere Freiheit, unseren Willen nach Gutdünken zu beherrschen."
Ergänzend möchte ich den in eine sehr ähnliche Richtung gehenden Beitrag von Bettina Walde erwähnen: Ein Fingerschnipsen ist noch keine Partnerwahl. Ein Gespräch in Hirnforschung und Willensfreiheit, Christian Geyer (Hg.), Suhrkamp (2004)

Zum Abschluss...

Es freut mich, dass Sie sich die Zeit genommen haben, mein Blog zu lesen. Natürlich sind viele Dinge, die ich hier diskutiere aus einem subjektiven Blickwinkel geschrieben. Vielleicht teilen Sie einige Ansichten auch nicht: Es würde mich jedenfalls freuen, Kommentare zu lesen...

Noch ein Zitat zum Schluß:

"Ich verhielt mich so, als wartete ein Heer von Zwergen nur darauf, meine Einsicht in das Tagesproblem, zur Urteilsfindung von Gesellschaft und Politik zu übersetzen. Und nun stellt sich heraus: Dieses Heer gibt es nicht.

Ganz im Gegenteil erweist sich das kulturelle Getriebe als selbstimmunisierend gegen Kritik und Widerlegung. Es ist dem Lernen feind und wehrt sich in kollektiver Geschlossenheit gegen Umdeutung und Innovation.", Rupert Riedl, Evolution und Erkenntnis, Piper (1985)

:-)