Freitag, 30. September 2011

Tyndall und Arrhenius: 150 Jahre Klimaforschung


John Tyndall

In der öffentlichen Wahrnehmung ist Klimaforschung eine Sache von Computerexperten, die komplexe Klimamodelle auf Supercomputern ausführen und dann Zukunftsprognosen abliefern. Tatsächlich sind Computermodelle und Simulationen nur ein – wenn auch wichtiger – Teil heutiger Klimaforschung. Mindestens ebenso bedeutend sind herkömmliche Messungen, Beobachtungen sowie elementare Erkenntnisse aus Physik, Chemie, Geologie, Biologie und Ökologie. Anfänge moderner Klimaforschung kann man daher auch schon auf die Mitte des 19. Jahrhunderts datieren. Zwei illustre Namen sind mit der Untersuchung der Atmosphärenchemie und der Entdeckung des Treibhauseffektes verbunden: John Tyndall und Svante Arrhenius.
Der Brite John Tyndall, ein Zeitgenosse und Freund Faradays, und der Schwede Svante Arrhenius waren beide herausragende Physiker des ausgehenden 19. Jahrhunderts, beziehungsweise beginnenden 20. Jahrhunderts. Tyndall, ein experimenteller Physiker, ist bis heute allen Physik- und Chemiestudenten durch den nach ihm benannten Tyndall-Effekt vertraut. Dabei handelt es sich um die Beschreibung von Lichtstreuung an Teilchen die etwa in der Größe der gestreuten Wellenlänge liegen. Er beschäftigt sich aber auch mit der Rolle der Atmosphäre für das Klima, erkennte und beschreibt um 1860 als einer der ersten den Treibhauseffekt: 
"... Wasserdampf ist eine Decke, die wichtiger für die Vegetation Englands ist, als Kleidung für den Menschen. Entfernte man nur für eine Nacht den Wasserdampf über England, so würde man durch den Frost zweifellos jede Pflanze, die frostempfindlich ist, zerstören.", John Tyndall
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts beginnt Svante Arrhenius die Bedeutung des Kohlendioxids (und auch des Wasserdampfes) für das Erdklima zu erkennen. Er stellt sich die (heute leider sehr relevante) Frage, welchen Effekt eine Verdopplung der Kohlendioxid-Konzentration in der Atmosphäre hätte. Seinen ersten Berechnungen nach wäre ein Temperaturanstieg von 5-6°C zu erwarten. Heute gehen Klimaforscher eher von einem Anstieg um 2-3°C aus. Diese Abschätzungen behandeln allerdings den Treibhauseffekt isoliert von anderen systemischen Effekten: Das Abschmelzen von Eisschilden beispielsweise, oder das Auftauen von Permafrost können die Erwärmung langfristig deutlich erhöhen. 

Bedenkt man, dass 100 Jahre intensiver Forschung zwischen diesen Zahlen liegen, war die Schätzung von Arrhenius ein guter Anfang. Er erhält 1903 auch einen der ersten Nobelpreise für Chemie. Die Auszeichnung hat allerdings nichts mit seiner Atmosphärenforschung zu tun, sondern bezieht sich auf die Theorie der elektrolytischen Dissoziation. Arrhenius arbeitet übrigens 1887 auch zusammen mit Ludwig Boltzmann in Graz.

stehend: Walther Nernst, Heinrich Streintz, Svante Arrhenius, Hiecke
sitzend: Aulinger, Albert von Ettingshausen, Ludwig Boltzmann, Ignacij Klemencic, Hausmanninger

Die Arbeiten von Tyndall und Arrhenius sind Meilensteine. Schon um 1900 ist also einigen Wissenschaftern klar, dass das Erdklima mit der Konzentration bestimmter Gase in der Atmosphäre in engem Zusammenhang steht. Diese fundamentalen physikalisch/chemischen Betrachtungen, Messwerte der letzten hundert Jahre, sowie die Rekonstruktion klimatischer Verhältnisse und der Atmosphärenchemie in geologischen Zeitskalen bilden, neben Erkenntnissen vieler anderer Wissenschaften wie der Biologie, die Basis für das heutige Verständnis der Atmosphärenchemie und des Klimas der Erde.

Diese Erkenntnisse zeigen heute jenseits jeden vernünftigen Zweifels, dass der Mensch die treibende Kraft klimatischer Veränderungen geworden ist. Zur Zeit steuern wir das Raumschiff Erde geradewegs in eine für die Menschheit katastrophale Zukunft. Keine ferne Zukunft übrigens, sondern eine, die die Jüngeren unter uns noch selbst erleben werden, unsere Kinder mit Sicherheit. Schnelles und energisches Gegensteuern kann den Klimawandel (wegen der Trägheit der beteiligten Systeme) zwar nicht mehr aufhalten, könnte aber aller Voraussicht nach die schlimmsten Effekte verhindern. 

Auch davon scheinen wir zur Zeit weit entfernt zu sein.

p.s.: Vielen Dank an James Hansen, der mich auf die historischen Arbeiten Tyndalls hingewiesen hat. Sein letztes Buch: Storms of my Grandchildren sollte übrigens wirklich jeder lesen.


Zum Abschluss...

Es freut mich, dass Sie sich die Zeit genommen haben, mein Blog zu lesen. Natürlich sind viele Dinge, die ich hier diskutiere aus einem subjektiven Blickwinkel geschrieben. Vielleicht teilen Sie einige Ansichten auch nicht: Es würde mich jedenfalls freuen, Kommentare zu lesen...

Noch ein Zitat zum Schluß:

"Ich verhielt mich so, als wartete ein Heer von Zwergen nur darauf, meine Einsicht in das Tagesproblem, zur Urteilsfindung von Gesellschaft und Politik zu übersetzen. Und nun stellt sich heraus: Dieses Heer gibt es nicht.

Ganz im Gegenteil erweist sich das kulturelle Getriebe als selbstimmunisierend gegen Kritik und Widerlegung. Es ist dem Lernen feind und wehrt sich in kollektiver Geschlossenheit gegen Umdeutung und Innovation.", Rupert Riedl, Evolution und Erkenntnis, Piper (1985)

:-)