Freitag, 23. Mai 2008

Hoffnung Treibstoffpreis!

Es ist immer wieder überraschend wie Medien, die Bevölkerung (reagiert sie wirklich so stark, oder verstehen die Menschen nicht ohnedies mehr als wir ihnen zutrauen?), Interessensvertreter und natürlich in Konsequenz auch Politiker auf Situationen reagieren, die überhaupt nicht überraschend kommen, die allerdings eine lange Vorlaufzeit hatten und daher wie so vieles verschlafen wurden. Das jüngste Beispiel ist die relativ deutliche Erhöhung des Benzinpreises in den letzten Monaten.

Niemand, der sich in den letzten Jahren ein wenig mit der Situation der Ölförderung beschäftigt hat darf überrascht sein. Wir haben Peak Oil erreicht oder stehen zumindest knapp davor (die deutsche Bundesanstalt für Geowissenschaften prognostiziert diesen für 2020, andere wie der Shell Manager tippen eher auf 2015, andere vermuten wir sind bereits am Peak angelangt. Kaum jemand aber gibt eine Schätzung ab, die nach 2020 liegt, und selbst dies sind nur mehr 12 Jahre!), und natürlich sind wir global nicht darauf vorbereitet. Wir haben den wertvollen Rohstoff behandelt als wäre er eine ewige Konstante, und jetzt sehen wir die logischen Konsequenzen der Verknappung. Auch die Tatsache, dass Indien und China (und viele andere Entwicklungsländer) deutlich mehr verbrauchen als zuvor ist keine Neuigkeit sondern war ebenso jedem klar der sich mit der globalen Wirtschaftsentwicklung auch nur oberflächlich beschäftigt hat.

Nur um dem Begriff "Peak Oil" umissverständlich klar zu machen: Peak Oil bedeutet, dass das Maximum der Förderung erreicht ist. D.h. niemand kann global mehr Öl verbrauchen als bisher ohne dass irgendjemand anderer weniger verbraucht. Die Produktion kann nicht mehr erhöht werden, und wird mittelfristig sogar sinken. Bedenkt man, dass unser geheiligtes Wirtschaftswachstum bisher fast immer mit einem Wachstum des Resourcenverbrauchs verbunden war, kann man sich die Konsequenzen überlegen, v.a. dann wenn man keine Schritte unternimmt um gegenzusteuern.

Was ist jetzt die konkreten Folgen des höheren Ölpreises? Politiker und Interessensvertreter aller Art, begleitet von "aufgeregten" Journalisten laufen herum wie kopflose Hühner. Manche scheinen immer noch zu glauben es wäre nur eine vorübergehende Krise, und es wird schon wieder alles gut werden, wenn wir diese Krise durchtauchen. Die dümmsten Ideen zirkulieren, von Subventionen und Erhöhungen der Pendlerpauschale, bis zu Autoherstellern (Chrysler, Refuel America) die in ihrer Panik Käufern eine Benzinpreisgarantie für ihre Schluckspechte aka Vans, SUVs usw. geben. Ist das sinnvoll? Nachhaltig? Zukunftssicher?

Kaum. Ich habe schon in früheren Postings über systemische Effekte gesprochen. Scheinbar wird wieder nicht erkannt, dass bspw. eine Erhöhung der Pendlerpauschale das Problem kurzfristig etwas entschärft aber schon mittelfristig dramatisch schlimmer macht.

Was scheinbar die wenigsten erkennen (wollen) ist, dass eine drastische Erhöhung der Treibstoffpreise (leider trifft dies für Flugbenzin noch nicht zu) eine der wirklichen (vielleicht letzten) Chancen ist die wir haben, um unser System in Richtung einer nachhaltigeren Wirtschaft umzubauen. Ständig steigende Preise üben einen Druck auf die Märkte aus, hin zu vernünftigerem Handeln mit geringerem Resourcenverbrauch, Stärkung von erneuerbaren Energien sowie hin zu nachhaltigeren Systemen. Um beim Beispiel Pendler zu bleiben: es ist eben nicht vernünftig jeden Tag hunderte Kilometer in die Arbeit zu fahren. Dies ist ein Modell, das wie ein Krebsgeschwür ist. Man kann eine Zeit damit leben, aber irgendwann wird es unbehandelt zum wirklich bedrohlichen Problem.

Der Druck den die höheren Preise haben müssen daher meiner Ansicht nach als Chance und nicht als Krise begriffen werden, und dies meine ich nicht im Sinne eines "New Age" Geschwätzes, wo alles zur Chance wird. Aber es muss uns endlich klar werden, dass die bisherige Ressourcennutzung in keiner Weise nachhaltig ist. Wenn wir dieses falsche System mit politischen Massnahmen weiter verlängern, so führt dies nicht zu einer wieder stabilen Lage in der Zukunft sondern vielmehr zu einem wesentlich härterem Aufprall, der dann mangels Alternativen und Zeit nicht mehr ohne wirklich massive Krisen und Katastrophen transformierbar ist.

Heute haben wir noch genau diese Chance zur Veränderung. Wir sind zwar sehr spät dran (Realisten würden vermutlich sagen, ohnedies zu spät), aber als Optimist denke ich, dass wir eine Veränderung unseres Wirtschaftssystems noch schaffen können. Das aber nur, wenn wir hier mal wirklich den Marktkräften den Lauf lassen: es ist doch sehr überraschend, dass diejenigen die sonst immer für die freien Kräfte des Marktes sind nun plötzlich (wie nach der Bankenkrise) nach staatlichen und sonstigen Interventionen schreien, wenn sich der Markt nicht so entwickelt wie sie sich das wünschen.

Zusätzlich sollten wir natürlich den Druck auf schädliche Wirschaftspraktiken die massiv Resourcen verschwenden und Klimagase ausstossen erhöhen (Stichwort CO2 Steuer, die natürlich auch Methan etc. beinhalten muss). Damit würden wir verschiedene Dinge teurer machen, wie eben Treibstoffe, industrielle Landwirtschaft (z.B. Rinderzuche) aber auch Chancen für neue Unternehmer schaffen, die einen für die Zukunft verträglicheren Weg gehen wollen.

Es gibt allerdings schon Staaten, die die Problematik scheinbar erkannt haben und Initiativen setzen. Abu Dhabi bspw. kündigt die "Zero-Emision City" an und möchte führend im Bereich erneuerbarer Energien werden. Es schönes Ziel, es bleibt abzuwarten welche Taten folgen. Ich würde mir wünschen dass diese und andere Initiativen erst der Anfang einer globalen Bewegung sind.

Update 13.6.: Manchmal geschehen noch Zeichen und Wunder ;-) Laut Deutsche Welle, Treffpunkt Europa, meinte der ehemalige Berater des französischen Präsidenten Jacques Attali sinngemäß, dass Energie immer noch viel zu billig sei. Der Preis sei in etwa derselbe (Inflationsbereinigt... nehme ich an) wie 1973. Ein hoher Energiepreis wäre wichtig, weil es zum Energiesparen führe. Man müsse aber aufpassen, dass der Strukturwandel sozial verträglich ablaufe und nicht hauptsächlich zu lasten der sozial Schwachen passiert.

Kaum zu glauben. Das ist das erste Mal, dass ich jemanden aus der Nähe der Spitzenpolitik gehört habe, der die Zusammenhänge meiner Meinung nach richtig erkannt hat und sich das auch zu sagen traut. Ich kann das Lamentieren aus allen Ecken Europas, und die oben zitierte Treffpunkt Europa sendung machte da keine Ausnahme, nicht mehr hören. Schon der Titel der Sendung: "Der Schmierstoff versiegt: wie Europa unter dem hohen Ölpreis leidet". Nicht etwa: "Der Schmierstoff versiegt: Der hohe Ölpreis als Chance für Europa".

Update 19.6.: Nun haben auch Hedgefond-Manager erkannt, dass Peak-Oil da oder jedenfalls sehr nahe ist:
"'I do believe you have peaked out at 85 million barrels a day globally,' Pickens, who heads BP Capital hedge fund with more than US$4 billion under management, said during testimony to the Senate Energy and Natural Resources Committee."

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Zum Abschluss...

Es freut mich, dass Sie sich die Zeit genommen haben, mein Blog zu lesen. Natürlich sind viele Dinge, die ich hier diskutiere aus einem subjektiven Blickwinkel geschrieben. Vielleicht teilen Sie einige Ansichten auch nicht: Es würde mich jedenfalls freuen, Kommentare zu lesen...

Noch ein Zitat zum Schluß:

"Ich verhielt mich so, als wartete ein Heer von Zwergen nur darauf, meine Einsicht in das Tagesproblem, zur Urteilsfindung von Gesellschaft und Politik zu übersetzen. Und nun stellt sich heraus: Dieses Heer gibt es nicht.

Ganz im Gegenteil erweist sich das kulturelle Getriebe als selbstimmunisierend gegen Kritik und Widerlegung. Es ist dem Lernen feind und wehrt sich in kollektiver Geschlossenheit gegen Umdeutung und Innovation.", Rupert Riedl, Evolution und Erkenntnis, Piper (1985)

:-)