Donnerstag, 30. August 2007

Ist der Frosch tot?

Seit Jahren geistert im englischen der Begriff des "Leapfrogging" durch die Literatur. Gemeint ist damit im allgemeinen, dass man neue, moderne Technologien verwenden kann, ohne über die Zwischenschritte gehen zu müssen; man überspringt (leapfrog) sozusagen die Zwischentechnologien. In der Wirtschaftswissenschaft ist damit z.B. gemeint, dass man nicht jedes Update einer Software mitmacht (das haben auch Microsoft und Co erkannt und verbieten dies mit den neuen Lizentmodellen de facto: der Abhängige will gemolken werden!).

Meist wird es jedoch im Kontext von Schwellen- und Entwicklungsländern verwendet. Die gut gemeinte Idee ist, dass diese Länder ja nicht alle Fehler machen müssen, die wir als Industriestaaten gemacht haben, sondern gleich "weiter oben" einsteigen können. Damit ließe sich, so weiter, der ausufernde Resourcenverbrauch der jetztigen "dritten Welt" eindämmen: durch Leapfrogging würden sie sozusagen auf denselben Entwicklungsstand wie wir kommen, aber mit geringerem Resourcenverbrauch (wieso gelingt uns das dann eigentlich nicht in den Industriestaaten?!).

Erfolgreiche Beispiele (für Leapfrogging, weniger für geringeren Resourcenverbrauch) gibt es durchaus: z.B. wird gerne das Mobiltelefon genannt. Dieses hat tatsächlich eine unglaubliche Verbreitung in Entwicklungsländern erreicht und de facto wurde dort das Festnetztelefon in vielen Regionen "übersprungen".

Viel mehr wirklich nennenswerte Beispiele sind aber leider nicht zu nennen. Jedenfalls sind mir keine bekannt. (Falls der Leser gute Beispiele kennt...?) Zwar gibt es immer wieder vereinzelte Projekte wo in Entwicklungsländern nachhaltige Wirtschaft versucht wird (Solarenergie...), aber de facto sieht die Realität leider anders aus. Ein gutes Beispiel hierfür wurde in einer der letzten Science Friday Radiosendung genannt: Einige amerikanische Bundestaaten investieren bspw. in "grüne" Technologie und deaktivieren schmutzige Kohlekraftwerke. Ein guter Schritt! Sicher. Ein schmutziges Kohlekraftwerk weniger.

Falsch.

Tatsächlich hat sich ein Markt für Industriebetriebe und deren Maschinen entwickelt, die in Industrienationen nicht mehr verwendet werden (z.B. weil sie zu alt, abgeschrieben sind, oder die lokalen Auflagen nicht mehr erfüllen usw.). Im Beitrag wurde von einem kompletten Kohlekraftware berichtet, das in den USA abgebaut und irgendwo in Südamerika wieder aufgebaut wurde. Dort feuert es natürlich weitere 20 Jahre und produziert CO2 und andere Abgase mit Technologie von gestern. Also durchaus ein Leapfrog, aber in die falsche Richtung!

Legende sind auch die amerikanischen Schulbusse, die in Amerika ausser Betrieb genommen in Staaten wie Guatemala noch Jahrzehnte weiter im Einsatz sind. Soviel zum Thema "Leapfrogging". In der Tat scheint leider eher das gegenteilige Phänomen zu beobachten zu sein. Nicht nur verwenden wir Entwicklungsländer wie China als Mülldeponie für unseren Elektronikschrott und lassen zu teilweise unwürdigen Bedingungen für uns produzieren, es scheint nun zusätzlich auch der Trend zu kommen alte und schmutzige Technologie in diese Länder zu exportieren.

Denn wenn wir ehrlich sind: Leapfrogging ist eine schöne Idee, aber wie sollte es dazu kommen, dass gerade Entwicklungsländer sich die allerneueste und sauberste Technologie leisten können (und auch in der Lage sein sollten diese zu warten) wenn nichtmal wir in Europa und den USA willens sind ein paar Cent mehr für saubere Energie zu bezahlen.

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Zum Abschluss...

Es freut mich, dass Sie sich die Zeit genommen haben, mein Blog zu lesen. Natürlich sind viele Dinge, die ich hier diskutiere aus einem subjektiven Blickwinkel geschrieben. Vielleicht teilen Sie einige Ansichten auch nicht: Es würde mich jedenfalls freuen, Kommentare zu lesen...

Noch ein Zitat zum Schluß:

"Ich verhielt mich so, als wartete ein Heer von Zwergen nur darauf, meine Einsicht in das Tagesproblem, zur Urteilsfindung von Gesellschaft und Politik zu übersetzen. Und nun stellt sich heraus: Dieses Heer gibt es nicht.

Ganz im Gegenteil erweist sich das kulturelle Getriebe als selbstimmunisierend gegen Kritik und Widerlegung. Es ist dem Lernen feind und wehrt sich in kollektiver Geschlossenheit gegen Umdeutung und Innovation.", Rupert Riedl, Evolution und Erkenntnis, Piper (1985)

:-)