Dienstag, 5. Mai 2009

Geo-Engineering - Die politische Dimension

In der Diskussion um Möglichkeiten den Klimawandel zu verlangsamen oder die Effekte wenigstens teilweise rückgängig zu machen spielte Geo-Engineering bisher keine sehr große Rolle. Unter Geo-Engineering versteht man kurz gesagt den Versuch die Klima durch technische oder physikalisch-chemische Maßnahmen in großem Maßstab zu manipulieren. Zwar gab es immer wieder kurze öffentliche Aufregung: beispielsweise als der Chemienobelpreisträger Paul Crutzen 2006 die Option diskutierte durch das Einbringen von Schwefeldioxid in die Atmosphäre (auch Pinatubo-Effekt genannt) die Erde abzukühlen. David Keith erklärt diese Option in einem sehr guten TED Talk. Auch das deutsche Forschungsschiff das im März Experimente zur Eisendüngung des Meeres durchgeführt hat (in der Hoffnung, dass durch stärkeres Wachstum des Phytoplankton CO2 aus der Atmosphäre entzogen werden könnte) führte wenigsten in Europe zu einigen hitzigen Debatten.

Trotz vereinzelter Diskussionen, Geo-Engineering wurde, so vermute ich, aus verschiedenen Gründen nicht gerne öffentlich thematisiert: Umweltaktivisten und ein großer Teil der Klimaforscher wollte wohl vermeiden, dass eine breite Diskussion dazu führen könnte, dass man dringend notwendige Maßnahmen der Vorbeugung und Vermeidung gleich bleiben lässt, in der trügerischen Annahme, man könne das Klima schon "reparieren". Vertreter der Wirtschaft sowie Klimaskeptiker wollten wohl nicht als Technokraten dastehen. Ausserdem: würden sie öffentlich über Geo-Engineering reflektieren, würden sie ja damit implizit zugeben, dass der Klimawandel eine Realität ist die sie anerkennen. Die Öffentlichkeit wiederrum führt die Diskussion vermutlich darum nicht, weil die Erkenntnis der massiven Effekte des Klimawandels noch nicht etabliert genug sind, und Geo-Engineering eine so unglaubliche Dimension hat, dass man derartige Pläne nicht ernst nimmt und sie bestenfalls für die Phantasie eines Hollywood Drehbuchautors hält.

Langsam beginnt sich aber die Diskussion aus einer anderen Richtung her zu entwickeln. David Keith hat dies schon angedeutet: Zwei wichtige Punkte werden in der öffentlichen Wahrnehmung doch immer klarer:

  1. Der Klimawandel ist eine Realität, die man nicht mehr leugnen kann und die für verschiedene Regionen der Welt wahrscheinlich verheerende Folgen haben wird.
  2. Verschiedene Geo-Engineering Maßnahmen sind vermutlich billiger und einfacher umzusetzen als man bisher vermutet hat.

Daraus ergibt sich die beängstigende Konsequenz (wie Eli Kintisch in Slate sehr eindrücklich analysiert), dass unter Umständen einzelne Länder bald in der Lage sein werden im Alleingang Maßnahmen umzusetzen die das Klima der ganzen Welt in kurzer Zeit beeinflussen können. Zwar ist nicht anzunehmen, dass etwa Holland oder die Malediven (angesichts steigender Meerespiegel) die notwendige Motivation und Kapazitäten hätten; bei Ländern wie China, Indien oder gar den USA sieht die Sache natürlich schon ganz anders aus.

Ich denke, dass es höchst an der Zeit ist das Thema Geo-Engineering ernsthaft auf verschiedenen Ebenen zu diskutieren und auch die notwendigen Mittel bereitzustellen um eine ernsthafte Forschung zu ermöglichen. Zur Zeit gibt es meines Wissens nach nur wenige Gruppen die an derartigen Fragen ernsthaft forschen. Geo-Engineering wird nach heutigem Stand des Wissens den Klimawandel langfristig nicht aufhalten, bzw. andere Effekte der steigenden CO2 Konzentration wie die Versauerung der Weltmeere nicht verhindern können. Dennoch fürchte ich, wird es selbst bei aggressiven Strategien zur Reduktion der Treibhausgase eine Übergangsperiode geben (u.a. durch die Trägheit der Systeme bedingt) in der kurzfristige Geo-Engineering Maßnahmen sehr vernüftig sein könnten.

Ganz besonders wichtig ist es aber rechtzeitig politische Mechanismen und Verträge zu etablieren, die alle Aktivitäten in diesem Bereich nur unter Abstimmung der Völkergemeinschaft, z.B. innerhalb der UNO zulassen.

4 Kommentare:

Johan Steunenberg hat gesagt…

Ich bin da weniger optimistisch. Die Klimaänderung ist das Ergebnis von vielen kleinen Schritten. Die Lösung wird auch in vielen kleinen und mühsamen Schritten herbeigeführt werden müssen. Man nennt das auch Arbeit...
Geo-Engineering ist meiner Meinung nach einen Ausdruck für den Wunsch, das ganze Problem mit einem Paukenschlag zu lösen.
Das große Problem ist, dass keiner sich richtig Mühe machen will. Jede Woche gibt es ein 'Quick Fix du Jour', sei es Biokraftstoffe, Smart Grids, E-Mobility, das Supergleichspannungsübertragungsnetz, Geo-Engineering, Die Sonne, die ihre Aktivitäten einstellt, usw.
Bloß keine Maßnahmen, die die eigene Wähler vergraulen könnten.

Dazu kommt, dass das ganze Problem dadurch entstanden ist, das wir die Zusammenhänge nicht verstanden haben und nicht weiter geschaut haben als unsere Nase lang ist. Geo-Engineering sieht dabei aus als ob wir das Problem zu Lösung umbenennen. Wir verstehen immer die Zusammenhänge noch nicht, wo wir eingreifen, aber wir machen es jetzt bewusst und viel größer dimensioniert.

Vielleicht bin ich zu zynisch, aber das glaube ich eher nicht

Alexander Schatten hat gesagt…

Ich sehe hier jetzt keinen wesentlichen Widerspruch; ich habe eigentlich nichts anderes gesagt. Haben Sie den TED Talk gesehen?

Ich persönlich bin der Ansicht, dass wir mit größter Wahrscheinlichkeit selbst bei größten Anstrengungen nicht um (kurzfristiges) Geo-Engineering herumkommen werden.

Allerdings war das gar nicht das wesentlichste Thema meines Postings, sondern ich wollte im wesentlichen darauf hinweisen, dass viele GE Methoden bald auch von einzelnen Staaten angewandt werden könnten; ohne sich mit anderen abzustimmen. Hier sollte man eben versuchen so bald wie möglich hin zu gemeinsamen Strategien zu kommen, und das schließt gründliche Untersuchung (Forschung) der Methoden mit ein.

Erk hat gesagt…

Ich kann nicht so recht glauben, dass ein Land im Alleingang GE-Maßnahmen durchsetzen wird. Man denke nur einmal daran, was passiert, wenn solch ein Experiment schiefgeht. Diese Verantwortung kann niemand anderer als die Weltgemeinschaft übernehmen. Und die wird sich wohl ob der erheblichen Gefahren, die sich ergeben, nicht einig...

Mich konnte die Forschung bisher noch nicht überzeugen, einem der vielen geplanten Projekte zuzustimmen.

Alexander Schatten hat gesagt…

@Erk: bin absolut deiner Meinung. Zur Zeit. Allerdings ist es eine Frage des Leidensdruckes. Im Moment haben wir es alle noch recht bequem. Wenn in 10, 20 Jahren langsam die wirklich unangenehmen Effekte Einzug halten werden, dann wird der politische Wind härter werden.

Dann möchte ich mal sehen, wie die Diskussion dann aussehen wird. Dann werden plötzlich die "konservativen" entdecken, dass man etwas machen muss. Und vermutlich mit der ihnen eigenen "Hau-Drauf" Mentalität.

Mir wäre es lieber, wir stellen uns diesem Thema, das meines Erachtens nach mit Sicherheit kommen wird, frühzeitig und haben damit genug Zeit geeignete politische Instrumente zu schaffen.

Im übrigen noch eine Ergänzung: ich höre immer wieder das Argument: GE ist zu riskant, das darf man nicht mache, die Seiteneffekte usw. Stimmt schon, nur: wir machen es schon jetzt, die ganze Zeit, und zwar völlig ungeplant.

Jede größere industrielle Aktivität ist letztendlich eine Art von ungeplantem Geoengineering. Dann doch besser wissen was man tut oder?

Zum Abschluss...

Es freut mich, dass Sie sich die Zeit genommen haben, mein Blog zu lesen. Natürlich sind viele Dinge, die ich hier diskutiere aus einem subjektiven Blickwinkel geschrieben. Vielleicht teilen Sie einige Ansichten auch nicht: Es würde mich jedenfalls freuen, Kommentare zu lesen...

Noch ein Zitat zum Schluß:

"Ich verhielt mich so, als wartete ein Heer von Zwergen nur darauf, meine Einsicht in das Tagesproblem, zur Urteilsfindung von Gesellschaft und Politik zu übersetzen. Und nun stellt sich heraus: Dieses Heer gibt es nicht.

Ganz im Gegenteil erweist sich das kulturelle Getriebe als selbstimmunisierend gegen Kritik und Widerlegung. Es ist dem Lernen feind und wehrt sich in kollektiver Geschlossenheit gegen Umdeutung und Innovation.", Rupert Riedl, Evolution und Erkenntnis, Piper (1985)

:-)