Sonntag, 31. Dezember 2006

Strings und parallele Welten

Stringtheorie und ihre Kritiker

Dieser Tage beschäftigen sich einige Medien mit der Stringtheorie und der Frage nach deren Validität. Zu nennen sind bspw. der Jahresrückblick I des Spektrums der Wissenschaft aber auch im Deutschlandradio (die übrigens auch eine sehr gute Webseite mit Podcast haben): Strings in der Krise. Die Diskussion wurde im wesentlichen durch zwei neu erschienene Bücher ausgelöst, oder wenistens stimuliert:
  • Peter Woit, Not even wrong, The Failure of String Theory And the Search for Unity in Physical Law: The Failure of String Theory and the Search for Unity in Physical Law, B&T (2006) amazon
  • Lee Smolin, The Trouble with Physics: The Rise of String Theory, the Fall of a Science, and What Comes Next, Houghton Mifflin Company (2006) amazon
Nun möchte ich mich hier nicht über die Stringtheorie verbreitern, schon gar nicht anhand von physikalischen Argumenten, dafür fehlt mir jede Kompetenz, aber eine Anmerkung aus "wissenschaftstheoretischer" Sicht sei mir erlaubt, vielleicht ist es auch eher der Ausdruck eines unguten Gefühls: Einige der modernen physikalischen, ganz besonders aber auch kosmologische Theorien scheinen in einen problematischen Bereich aus Sicht der Wissenschaftstheorie zu kommen:

"Seriöse" Wissenschaft?!

Die meisten Wissenschafter würden zustimmen, wenn man von "seriöser", ernstzunehmender Wissenschaft fordert, dass sie Theorien bildet, die nachprüfbar und reproduzierbar sind (um nur zwei wesentliche Kriterien zu nennen). Bei manchen der modernen Theorien scheint dies aber an prinzipielle Grenzen zu stossen:
  • Die Stringtheorie nimmt Strings in einer Größe von 10 hoch -33 cm Größe an, wie ist eine solche Annahme jemals prüfbar?
  • Die Stringtheorie benötigt 10 Dimensionen also sechs zusätzliche Dimensionen damit der Formalismus funktioniert...
  • Manche Wissenschaftsbereiche sind bereits so hoch-spezialisiert, dass die scientific community, also die Gruppe der kompetenten Wissenschafter, global an einer Hand abzählbar ist (dies trifft bspw. auch auf manche mathematische Zweige zu)
  • Auch im Bereich der Mathematik: manche Beweise sind so umfangreich (und kompliziert), dass selbst die wenigen Experten Monate oder Jahre brauchen um diese nachvollziehen zu können
  • Verschiedene physikalische und kosmologische Theorien (auch die Stringtheorie) benötigen enorm aufwendige und teure Experimente (z.B. der large hadron collider am Cern)
Nun stellt sich nach meiner Ansicht schon die Frage, wie es mit bspw. mit dem Kriterium der Nachprüfbarkeit aussieht, wenn im wesentlichen an einer Stelle auf der Welt von wenigen Wissenschaftern "entschieden" wird, ob eine bestimmte Theorie stichhaltig ist oder nicht. Oder im Fall der Mathematik: ist es einem oder zwei anderen Mathematikern gelungen einen mehrhunderseitigen Beweis zu lesen und zu verstehen (wirklich?), ist dies ausreichend für wissenschaftliche Zuverlässigkeit? Ich bin mir nicht sicher, weiß aber auch keine wirkliche Alternative zu nennen.

Multiversen

Ein Aspekt, der bspw. in der dradio Berichterstattung aufgenommen wurde, ist die Idee der Multiversen, ein Zitat aus der Sendung:
"Die Idee finde ich gar nicht mal so abwegig. Der Mensch hat sich immer im Zentrum der Welt gesehen: Erst im Zentrum des Sonnensystems. Dann hat er das Sonnensystem im Zentrum des Universums gesehen, und irgendwann hat er festgestellt: Wir sind arme Zigeuner am Rande des Universums. Und jetzt stellen wir vielleicht fest: Wir sind arme Zigeuner in einem Universum von unendlich vielen Universen. Und das würde nicht eigentlich nicht so sehr erschrecken, wenn das der Fall sein sollte."
Nun, mich würde das nicht nur "nicht erschrecken", ich persönlich bin (obwohl ich zugeben muss, dass ich mich hier nicht in diese Theorien im Detail vertieft habe) sehr fasziniert von der Idee der Multiversen. Hier gab es auch Artikel im Spektrum der Wissenschaft: Parallele Universen von Max Tegmark vom MIT, auf seiner Webseite gibt es auch umfangreicheres Material, das mehr ins Detail geht.

Spekulationen?

Mich persönlich spricht diese Idee nun mehr darum an, weil mich die Frage interessiert, warum die Naturgesetze und -konstanten gerade so sind, wie sie sind und nicht etwa anders. Man kann leicht zeigen, dass hier schon minimale Variationen (bspw. bei der Feinstrukturkonstante) enorme Effekte auf unser Leben haben würden. John D. Barrow hat sich damit bspw. in den Büchern The Artful Universe (amazon) und v.a. in The Constants of Nature (amazon) auseinandergesetzt. Auf meiner Webseite habe ich einige Zitate aus diesen Werken.

Für mich stellt sich der Zusammenhang (in aller Kürze formuliert vielleicht widme ich den Multiversen ja mal ein eigenes Posting) so dar: Es ist schwierig zu verstehen, wenn es genau ein Universum geben soll, dass dieses genau die Naturgesetze etc. hat die notwendig sind um so gut zu funktionieren wie es das unsere tut. (Die "Gottesidee" funktioniert auch nicht, darauf gehe ich ein anderes Mal ein). Nun ist aber gerade die Idee der Multiversen hier bestechend: es ist ja auch nicht unbedingt einsichtig, warum es genau ein Universum, nämlich unseres geben soll. Wieso sollte dies eine wahrscheinliche Annahme sein? Wenn man nun also annimmt, dass es eben nicht nur unser Universum, sondern viele (möglicherweise unendlich viele, was wieder zu weiteren interessanten Konsequenzen führt), dann führt dies wiederrum zu der Annahme, dass die Art und Beschaffenheit der Naturgesetze in der Entstehung des Universums begründet sind, und nicht in jedem Universum gleich sind.

Damit wäre nun endlich auch ein einleuchtender Grund gefunden, warum wir in einer (aus Naturgesetz/konstanten-Sicht) so lebenswertem Universum leben: einfach darum, weil unser Universum eines von vielen (unendlich vielen) Universen ist, und es hier zufällig stimmig ist. Wird die Zahl sehr hoch, so werden auch an sich unwahrscheinliche Ereignisse wahrscheinlich, bzw. sicher. Da dies für die Evolution des Menschen stimmt (siehe bspw. Richard Dawkins, The Blind Watchmaker, W W Norton amazon) so spricht wohl auch nichts dagegen, dass dies für unser Universum zutrifft.

Allerding, mea culpa, muss ich zugeben, dass meine einleitende Kritik hier natürlich auch anzuwenden ist. D.h. es stellt sich die Frage, wie derartige Ideen wissenschaftlich "prüfbar" sein können. Und dies ist sicher ein sehr schwieriges Unterfangen. Bevor die Kritiker aber jubeln sei gesagt, dass diese Problematik natürlich in der gleichen Weise auch für alle alternativen Ideen gilt!! Ich glaube aber, dass dies nicht prinzipiell unmöglich ist, jedenfalls, und wenigstens das möchte ich mir für weitere Überlegungen mitnehmen, sollte man eben dieser Prüfbarkeit (der Möglichkeit zu "falsifizieren" im Popperschen Sinne) ein Hauptaugenmerk geben. D.h. es ist zu versuchen in der Formulierung der Idee eine Idee der Prüfbarkeit mitzugeben. Ich werde also versuchen, die Multiversums-Theorien nach dieser Hinsicht weiter zu beleuchten, bzw. weiteres Material nach diesem Gesichtspunkt zu suchen.

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Zum Abschluss...

Es freut mich, dass Sie sich die Zeit genommen haben, mein Blog zu lesen. Natürlich sind viele Dinge, die ich hier diskutiere aus einem subjektiven Blickwinkel geschrieben. Vielleicht teilen Sie einige Ansichten auch nicht: Es würde mich jedenfalls freuen, Kommentare zu lesen...

Noch ein Zitat zum Schluß:

"Ich verhielt mich so, als wartete ein Heer von Zwergen nur darauf, meine Einsicht in das Tagesproblem, zur Urteilsfindung von Gesellschaft und Politik zu übersetzen. Und nun stellt sich heraus: Dieses Heer gibt es nicht.

Ganz im Gegenteil erweist sich das kulturelle Getriebe als selbstimmunisierend gegen Kritik und Widerlegung. Es ist dem Lernen feind und wehrt sich in kollektiver Geschlossenheit gegen Umdeutung und Innovation.", Rupert Riedl, Evolution und Erkenntnis, Piper (1985)

:-)