Montag, 6. November 2006

Richard Dawkins, Agnostizismus, A(th/d)eismus und andere -ismen

Richard Dawkins in Science Friday

Richard Dawkins. Interessanterweise war dieses Interview im Science Friday Programm von NPR News die erste Gelegenheit für mich Dawkins zu hören. Ich habe natürlich Bücher von ihm gelesen und war sowohl von den seinen Ideen als auch vom Stil beeindruckt, aber es ist auch ein Erlebnis ihn sprechen zu hören.

Vermutlich sind viele seiner Theorien etwas überhöht, oder werden von Kritikert so gesehen, aber sie geben doch üblicherweise sehr stimmige und auch eindrucksvolle Bilder, die wenigstens zum nachdenken stimulieren (DNA als "A River out of Eden"...).

The God Delusion

Wie auch immer: das Thema dieses Interviews ist Dawkins' neuestes Buch: The God Delusion. Leider habe ich das Buch selbst noch nicht gelesen, wird aber bald folgen. Im Moment steht noch Breaking the Spell von Dawkins "amerikanischen Zwilling" Daniel Dennett im Regal und harrt dort seiner Bestimmung. Dawkins jedenfalls, vertritt in diesem Interview eine sogar für mich als Kritiker des Atheismus recht überzeugende Position des Atheismus.

Ich sah in der Stellung des Atheisten immer dieselbe Schwäche wie in der eines Gläubigen. Beide definieren sich über einen Gottesbegriff und dies ist in sich problematisch. Meiner Überzeugung nach ist der Begriff "Gott" ausgesprochen fragwürdig, und zwar auf verschiedensten Ebenen. Es beginnt mit der eigentlichen Definition, was unter "Gott" verstanden wird und dann allen aus der Gottes-Idee abgeleiteten Erscheinungen . Schon über den ersten Punkt könnte man lange diskutieren: Es reicht von überraschend volksütmlichen und offensichtlich kindlichen Vorstellungen und bis zu sehr abstrakten "intellektuellen" Vorstellungen.

Absurd oder nutzlos?

Das interessante an dieser Stelle erscheint folgendes Dilemma: Je konkreter die Gottesvorstellung ist, desto offensichtlich absurder ist sie wenn sie zu Ende gedacht wird. Je abstrakter sie aber ist (sie nähert sich dann oft einer pantheistischen Idee an) desto nutzloser wird sie aber. Ein Beispiel: gestattet man (in seinem Glaubenssystem) Gott sich in den täglichen "Ablauf der Welt" einzumischen so führt dies zu einer Menge an fragwürdigen Folgen, bspw. wäre damit das Ursache/Wirkungsprinzip der Physik und vermutlich auch viele andere Prinzipien in Frage gestellt. Nebenbei gesagt gibt es keinerlei Erkennbare Anzeichen welcher Art auch immer, dass dies irgendwo passieren würde.

Auch der freie Wille (so wie ihn besonders gläubige Menschen gerne sehen wollen) wäre damit zumindest teilweise unterwandert. Ganz davon abgesehen, dass ein in das "Tagesgeschäft" eingreifender Gott auch in ethischer Hinsicht recht fragwürdig wäre. Man müsste dann bspw. erklären, warum Gott grauenhafte Naturkatastropen zulässt, junge Mütter bei Autounfällen ums Leben kommen usw. Wir sind dann sehr schnell wieder bei mittelalterlichen Vorstellungen des strafenden und belohnenden Gottes, der im wesentlichen ein Machinstrument der jeweils regierenden Führung war. Aber dies möchte ich ein anderes Mal diskutieren.

Initialfunken

Daher greifen Gläubige heute oft auf die Annahme zurück, Gott hätte nur den Initialfunken geliefert (mit Ausnahme der "radkialen" mancher Glaubensrichtungen, die gerne auch heute noch von der "Strafe" Gottes reden, wenn tausende einer Flutwelle zum Opfern fallen). Auch der Kreationismus in neuem Gewand: Intelligent Design geht oft von dieser These aus. Aber auch dies hat einige unerfreuliche Konsequenzen, wenn man dies zu Ende denkt (was ich in einem nächsten Posting versuchen möchte). Daher wird von "aufgeklärten" Gläubigen gerne eine metaphysischere Begründung geliefert, die auf den ersten Schritt plausibler ist aber in Wahrheit von der Grundproblematik ablenken möchte: Man erklärt, Gott hätte nur die Initalzündung geliefert, die Naturgesetze definiert usw. Er hätte uns (woher wusste er eigentlich, dass wir entstehen, wenn er nur den Initialfunken gelegt hatte?) ja freien Willen gegeben, und den sollen wir doch auch nutzen.

Auch wenn dies auf den ersten Blick sehr plausible und weitsichtige Ideen zu sein scheinen, halten auch diese einer näheren Betrachtung kaum stand; sie sind im wesentlichen eine Ausflucht um die logischen Probleme zu vermeiden, die ein täglich wirkender Gott unabwendbar verursachen würde. Dazu mehr an anderer Stelle.

Es ist also zusammenfassend so, als müsse man sich zwischen einem nutzlosen aber theoretisch wenigstens plausiblen und einem "nutzbringenden" aber völlig unplausiblen Gott entscheiden.

Agnostizismus...

Mir erschien daher immer der Begriff "Gott" an sich ein sehr schwacher und hochgradig irreführender zu sein und bei näherer Betrachtung auch ein ziemlich überflüssiger. Sobald man sich seiner bedient hat man schon den ersten substantiellen Fehler begangen. Das ist, als nehme ein Pazifist an einer Diskussion teil, welche Waffe nun am ehesten zu rechtfertigen wäre. Ist er aus welchen Gründen auch immer überzeugter Pazifist, so hat er schon durch die Teilnahme an der Diskussion verloren und seiner Idee und Überzeugung substantiell geschadet. Denn es berufen sich beide Ideen: Theismus (Deismus? Dawkins unterscheidet zwischen diesen begriffen) und Atheismus auf den Begriff Gott. Erkennt man als, dass der Begriff "Gott" an sich problematisch ist und in keiner mir bekannten Anwendung mehr Sinn als Verwirrung stiftet, so relativiert sich auch eine Position die Gott verneint—eben die des Atheismus. Denn um etwas zu Verneinen, muss ich es als Entität irgendeiner Güte anerkennen. Eben dies stelle ich in Frage.

... oder doch Atheismus?

Nun muss ich zugeben, dass Dawkins sehr stark argumentiert; vielleicht werde ich die Dinge auch nach der Lektüre seines neuen Buches anders sehen, aber bis dahin wird mir der Begriff des Agnostizismus näher sein als derjenige des Atheisten. Ich halte den Agnostiker für wesentlich stärker, da er die Diskussion schon an einer früheren Stelle unterbricht, nämlich bevor Gott als Begriff zugelassen wird; eben in der frühen Erkenntnis dass ein Zulassen des Begriffen keinen erkennbaren Sinn stiftet. Lasse ich den Begriff aber zu und Streite gegen diesen (eben als Atheist) so begebe ich mich in die Gefahr mehr anzuerkennen als mir eigentlich lieb ist.

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ich habe mir deine Ansichten durchgelesen und kann daraus schließen, dass du nach einem Sinn im Leben suchst. So weit ich das interpretiere.

Ich bin kein großer Theologe oder sonst ein Gelehrter aber ich habe mich einfach auf Gott eingelassen. Ich wollte ihn kennen lernen von dem die Christenheit so redet. Dabei konnte ich Erfahrungen machen. Ich habe gemerkt, dass ich in dem ich versucht habe Jesus zu erkennen indem ich das Neue Testament der Bibel gelesen habe auch Gott erkannt habe. Er hat mein Leben verändert indem ich z.B. meine Eltern lieben konnte. Eigentlich ist das schon viel zu persöhnlich aber ich möchte dir einfach nur etwas sagen. Ich habe erkannt, dass es Gott egal ist ob du glaubst, dass es ihn nicht gibt oder ihn versuchst auszuklammern. Er ist. Das wäre so als wenn du sagen würdest es gibt keine Luft. Und doch ist die Luft da. Wenn ich die Luft personifiziere ist es der Luft auch egal ob du sie verneinst.
Gott habe ich erlebt indem ich eine persönliche Beziehung zu ihm habe. Er ist kein Gott der beweisen will, dass es ihn gibt. Er will das du ihn erfährst...

Alexander Schatten hat gesagt…

Ich denke, wenn du mein Blog liest, so wirst du feststellen, dass ich kein Freund davon bin, im Leben immer den leichtesten Weg zu gehen. Ich versuche kritisch nachzudenken und die Dinge zu hinterfragen. Daher ist "Gott" natürlich keine Lösung sondern nur eine Ausrede um es sich einfach zu machen.

Auch in diesem Posting habe ich mich mit dem Problem des Gottesbegriffes auseinandergesetzt.

Natürlich steht es jedem frei alles beliebige zu glauben. Das Problem ist jedoch dass es keine einzige bekannte und konsistente Vorstellung von Gott gibt, die irgendetwas leichter verständlich oder auch besser erklärbar machen würde. Ich empfehle hierzu bspw. Daniel Dennetts "Breaking the Spell", v.a. den Bereich wo er sich mit dem höchst wandlungsfähigen Gottesbegriff in historischer und kultureller Hinsicht auseinander setzt.

"Gott" ist eine kulturelle "Erungenschaft", die wir uns irgendwann einmal eingetreten haben, und die kaum einer vernünftigen Diskussion zugänglich ist. Ich werde diese Aspekte in späteren Postings auch noch klarer belegen.

Anonym hat gesagt…

Ich möchte meine Sichtweise lieber gar nicht durch einen A....ismus benennen, mich nicht durch das definieren, wovon ich mich distanziere. Klarer wäre eine positive Formulierung. Darüber habe ich schon länger nachgedacht und mir ist bis jetzt noch nichts besseres eingefallen, als mich als eine konsequente Naturwissenschaftlerin zu bezeichnen. Vielleicht hat jemand, der ähnlich denkt, noch eine "knackigere" Idee.

Zum Abschluss...

Es freut mich, dass Sie sich die Zeit genommen haben, mein Blog zu lesen. Natürlich sind viele Dinge, die ich hier diskutiere aus einem subjektiven Blickwinkel geschrieben. Vielleicht teilen Sie einige Ansichten auch nicht: Es würde mich jedenfalls freuen, Kommentare zu lesen...

Noch ein Zitat zum Schluß:

"Ich verhielt mich so, als wartete ein Heer von Zwergen nur darauf, meine Einsicht in das Tagesproblem, zur Urteilsfindung von Gesellschaft und Politik zu übersetzen. Und nun stellt sich heraus: Dieses Heer gibt es nicht.

Ganz im Gegenteil erweist sich das kulturelle Getriebe als selbstimmunisierend gegen Kritik und Widerlegung. Es ist dem Lernen feind und wehrt sich in kollektiver Geschlossenheit gegen Umdeutung und Innovation.", Rupert Riedl, Evolution und Erkenntnis, Piper (1985)

:-)